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Online Musik Magazin
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Von Roberto Becker |
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Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013 |
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Finster ist die Nacht der Erinnerung
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Die düsteren Albtraumvisionen eines Olivier Py sind dem Publikum bei Verdis Il Trovatore herzlich egal, sobald das Operntraumpaar Anja Harteros und Jonas Kaufmann singt |
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Mit seinem Stück Die Sonne übertrieb es Olivier Py an der Volksbühne in
Berlin vor zwei Jahren mit seinem Multitalent etwas. Vor allem bekam der als
Schauspieler erfahrene Regisseur Py den Autor gleichen Namens und dessen
ausschweifenden Welt- und Sich-selbst-Erklärungsversuch dabei nicht so recht
in den Griff. Doch als Opernregisseur hat er längst zu einer
unverwechselbaren Ästhetik gefunden. Immer zusammen mit seinem Ausstatter
Pierre-André Weitz, der dessen Vorliebe für das Dunkle und Obsessive allemal
in eine Bühnengestalt zu übersetzen versteht. Py hat bislang vor allem in
Opernhäusern Furore gemacht, die außerhalb Deutschlands liegen. Vor allem in
Genf, in Paris, in Brüssel, in Amsterdam, aber auch im Theater an der Wien.
Womit er ganz nebenbei belegt, dass es längst nicht mehr nur hierzulande
aufregende szenische Ansätze gibt. In Deutschland hat er bisher nur einmal
in Köln inszeniert. Auch Verdi – die Macht des Schicksals.
Seine
Deutung von Verdis Il Trovatore, mit der die Münchner Opernfestspiele gerade
eröffnet wurden. Wir haben ja auch Verdijahr, und Wagner ist ja schon mit
dem neuen Ring bedacht worden, den es natürlich auch im Festspielmonat zu
sehen gibt. Der Trovatore ist auch so eine Bühnen- und Seelenfinsternis, wie
Py sie schon oft bevölkert und zum Leben erweckt hat. Mit dem dominierenden
Schwarzgrau einer urbanen Groß-Maschinerie mit Durchblicken in einen
metaphorisch abgefackelten Wald. Alles auf der Drehbühne und in dauernder
Wandlung. Mit einer Lokomotive, die die aufkommende Industrialisierung
ebenso assoziiert wie ein abgebrannter Wald die Schauer-Romantik.
Wie
immer bei Py ist das mit einer Dosis von in nackte Männer-Muskeln
übersetztem Hormonüberschuss versehen. Und auch mit drastischen
Überzeichnungen bei den das Personal sonst noch verstärkenden
Subtext-Zombies. Ob nun die vertauschten Babies mit Riesenköpfen (die
immerhin einen Zwischenruf provozierten) oder vor allem die als Hexe
verbrannte Mutter, die das Rachetrauma ihrer Tochter Azucena stets wach
hält. Das ist schon etwas überdeutlich, nicht nur, wenn deren Gefangennahme
und Verbrennung quasi im Erinnerungshintergrund nachgespielt wird. Und wenn
sie beim Abschied Manricos von seiner (Zieh-)Mutter in der Zelle dabei ist,
dann verdeutlicht das zwar die Lebenstragik der Beteiligten, nimmt der
intimen Szene aber doch auch etwas von der Wucht ihrer musikalisch
beglaubigten Wirkung. Pys symbolhaft assoziatives Umkreisen der Mord und
Rache Obsessionen in diesem ja eigentlich szenisch nicht zu rettenden
Schmachtfetzen ist dennoch packend. Auch wenn sie nicht die Wucht, mit der
Calixto Bieito dem Trovatore in Hannover mit einem ähnlichen Ansatz zu Leibe
rückte, toppt.
Bleibt die geniale Musik. Da geht's in München getreu
dem bayerischen Motto „mir san mir" in die Vollen. Man kann sich das kaum
prominenter besetzt als mit everybodies Tenorliebling Jonas Kaufmann als
Manrico und der wohl besten Kandidatin für die Leonora, nämlich Anja
Harteros, vorstellen. Er mit strahlender Höhe, bei der man die gaumigen
Piani gerne in Kauf nimmt, zumal er sie in die Gestaltung zu integrieren
versteht. Und sie mit einer wunderbar aufblühenden sicher geführten Höhe,
aber vor allem mit der Leichtigkeit ihrer Piani faszinierend! Und auch, wenn
einem nicht wie bei deren Begegnung als Lohengrin und Elsa auf derselben
Bühne der Atem stockt - vokaler Verdi-Luxus ist es schon. Zumal auch das
Drumherum stimmt. Ob nun Alexey Markov als finster donnernder Luna, die
abgründig gestaltende, wenn auch etwas schlanke Elena Manistina als Azucena
oder das übrige Personal und der Chor. Sie alle fühlen sich mit der
dosierten Italianita, mit der Paolo Carignani am Pult des Bayerischen
Staatsorchesters den Abend musikalisch grundiert, offenbar wohl. Das
Publikum jubelte zufrieden.
FAZIT
Die Opernfestspiele in
München wurden alles in allem glanzvoll eröffnet. Und wer will, kann am 5.
Juli beim kostenlosen Live-Stream-Angebot der Staatsoper
(www.staatsoper.de/tv) selbst reinzuschauen. Es lohnt sich.
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