KlassikInfo
Klaus Kalchschmid
 
Verdi: Il trovatore, Bayerische Staatsoper, 27. Juni 2013
 
(Un-)logik eines Alptraums
 
Anja Harteros und Jonas Kaufmann begeistern in Verdis „Trovatore“ zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele
 
(München, 27. Juli 2013) Hohe Gerüste links und rechts, verfremdete Waggons, darunter eine bizarre Lock, verkohlte oder mindestens blattlose Bäume und alles aus Metallic-Schwarz oder kaltem Silber, in gleißendes Neonröhren-Weiß getaucht. Wie in düsteren Alpträumen dreht sich die Bühne von Pierre-André Weitz für Olivier Pys tiefenpsychologische Deutung von Giuseppe Verdis „Trovatore“ zur Eröffnung der Opernfestspiele und geriert dabei immer neue Räume für die krude Geschichte: Da wurde einst eine Zigeunerin auf dem Scheiterhaufen verbrannt, weil der jüngere Sohn eines Grafen Luna in ihrer Nähe erkrankte; die Tochter musste dies mitansehen und übte Rache, indem sie den Jungen in die Flammen warf – verwechselt im Wahn mit ihrem eigenen Sohn. Nun zieht sie diesen jungen Graf Luna als Manrico auf. Ohne um dessen Herkunft zu wissen, wird Manrico mit seinem älteren Bruder zum tödlichen Rivalen um die Gunst Leonoras, die Manrico liebt.

Statt der sonst bei Verdi so stringenten Handlungsführung folgt das Geschehen der (Un-)logik eines Alptraums, blitzen immer wieder in der Oper die Traumata von Feuer, Sexualität und Gewalt auf. Also zeigt Py allerlei Visionen und lässt das Ganze als Moritat und Theater auf dem Theater beginnen. Muskulöse, halbnackte gesichtslose Tänzer mit schwarzen Tiermasken kämpfen barfuß in Slow motion, die Sänger stützend oder führend. Geich zu Beginn und dann immer wieder irrt eine zottelige, alte nackte Frau als Geist der alten Zigeunerin über die Bühne. Aber auch für die irrwitzige Szene der amboss-schlagenden Männer, die vom Zigeunermädchen schwärmen, das ihre Arbeit verschönt (großartig der Männerchor der Staatsoper!), findet Py ein tolles Bild, Begehren und männliche Gewalt furios verschmelzend: Da schlägt einer mit einem gewaltigen Hammer auf den Kopf der Lokomotive ein, während oben ein Mädchen wild tanzt und schließlich nackt ausgezogen wird und die Lok heruntergleitet.

Doch bei aller furchteinflößenden Qualität der düsteren Bilder Pys und seines Ausstatters, der auch die edlen, ausdrucksstarken, spanisch angehauchten Kostüme entworfen hat, überzeugte die musikalische Seite noch mehr. Das Staatsorchester unter Paolo Carignani spielt traumhaft schön, wunderbar ausbalanciert und bis in die kleinste Wendung hinein inspiriert und beseelt. Bei jedem noch so langsamen Tempo schwebten die Kantilenen geradezu, Lautes war immer weich gefedert, das Ende mancher Szenen heftig im Tempo zugespitzt.

Und da waren die fulminante Elena Manistina als Azucena und Alexey Markov - ein immer ausdruckvollerer Graf Luna. Vor allem aber gab es Anja Harteros und Jonas Kaufmann, das Traumpaar aus dem „Don Carlo“ in München (und bald in Salzburg). Beide debütierten in ihren Partien. Das merkte man nur ganz zu Beginn, da stemmte Kaufmann seinen Manrico mit etwas zu viel Kraft, doch dann hatte er sich freigesungen und konnte seinen so unverwechselbar timbrierten, immer exquisit männlich klingenden Tenor weich und ausdrucksvoll modulieren – bis hin zum mühelos artikulierten hohen C.

Die Leonora ist eine der reichsten und schönsten Sopran-Partien Verdis, also konnte Anja Harteros mit ihrem mittlerweile herrlich eingedunkelten, aber nach wie vor ungemein leuchtkräftigen Stimme alle Facetten dieser Partie musikalisch gestalten und sie auch spielen – bis hin zum bitteren Ende. Ihre letzte Arie singt Leonora an der Hand eines Tänzers in schwarzer Ganzkörper-Strumpfmaske als Tod mit Gift in einem großen Weinglas und stirbt im Delirium, die leisesten und anrührendsten Töne der Welt auf den Lippen und schon nicht mehr von dieser Welt sich leise und langsam in eine andere drehend.









 
 
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