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KlassikInfo, 23.12.2013 |
Von Klaus Kalchschmid |
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Verdi: La forza del destino, München, 22. Dezember 2013 |
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Kreuze und Kriege
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Martin Kusejs Neuinszenierung von „La Forza del Destino“ beschließt
das Verdi-Jahr an der Bayerischen Staatsoper - szenisch nicht wirklich
überzeugend, musikalisch bei den Sängern dafür umso mehr - nur Asher Fisch
am Pult enttäuscht. |
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Sie waren mit Abstand die strahlenden Siegerinnen des Abends: Vor 25 Jahren
feierte man in der grandiosen, in einem gigantischen liegenden Kreuz
angesiedelten Inszenierung von Götz Friedrich die großartige Julia Varady;
nun verkörperte Anja Harteros überragend Donna Leonora an der Bayerischen
Staatsoper. Wie beim neuen Festspiel-„Trovatore“ war in dieser vierten
Verdi-Premiere der Staatsoper binnen eines Jahres erneut Jonas Kaufmann ihr
kaum minder begeistert akklamierter Partner - als Geliebter Alvaro, von dem
sie getrennt wird, noch bevor die beiden ein Paar werden können.
Natürlich spielt das Kreuz auch in Martin Kušejs Neuinszenierung eine
wichtige Rolle. Es ziert schon zur Ouvertüre die Tafel in einem hässlich
leeren Raum mit breiter, von Stores verhüllter Glasfront, wo vor dem
Abendessen im gar nicht trauten Familienkreis gebetet wird: Von Vater,
Tochter, Bruder und weiteren Geschwistern, Bodyguard und Diener im
Hintergrund. Kurz darauf ist die Flucht von Leonora und Alvaro vereitelt,
der Vater von ihm versehentlich getötet - durch einen Schuss, der sich aus
der Waffe löst.
Immer wieder kehrt die Inszenierung an diesen Tisch
zurück und in diesen Raum, an dem Leonoras Leben eine so tragische Wendung
nahm, auch wenn er später aussieht wie ein langweiler Gemeidesaal der
1970er, den man mittels faltbarer Wand (über der ein Kreuz dominiert!) nach
hinten abtrennen kann. Wenn Leonora Schutz bei Padre Guardanio sucht, findet
hinter dieser Wand ihre Initiation statt – in einem Ambiente, als würde die
Parsifal‘sche Gralszene auf Sarastros Eingeweihte stoßen. Mehrfach wird das
Double der Sängerin komplett ins Wasser getaucht, bevor Anja Harteros
perfekt onduliert im schönen, trockenen Kleid (Kostüme: Heidi Hackl) ihre
Szene mit dem prägnanten Chor der Staatsoper singen darf. Am Ende sehen wir
als Einsiedelei, in die sich Leonora geflüchtet hat, ein Gebirge aus
Kreuzen. Den dort – wie Leonora – büßenden Alvaro reizt Carlo aufs
Äußerste und fällt im Duell, das er so heiß ersehnte. Im Sterben tötet er
die Schwester, die zuvor ihrem Alvaro Gottes Vergebung verheißt. Der
freilich wirft zu den letzten Takten der Musik das allgegenwärtige Kreuz der
Tafel, an dem jetzt das Geschwisterpaar tot sitzt, in die Ecke.
Nach
der Pause war leises Unbehagen des Premieren-Publikums im Parkett zu
vernehmen. Denn da sprang den Zuschauer in Martin Kušejs bislang seltsam
braver Inszenierung das erste, nachhaltig verstörende Bild entgegen: Der
Grundriss eines von einer Bombe zerstörten Hauses mit seinen Mauerresten –
aus der Vogelperspektive. Darin Liebespaare in Schockstarre, wie man sie in
Pompeji gefunden hat, hier lebendig und unmerklich immer wieder ihre
Stellung verändernd. Dazu - wie auf Bildern aus Abu Graib – halbnackte,
blutige Männer, die als Hunde an der Leine gezogen am Boden kriechen, und
ein Mensch, der mysteriös aus einem Sarg die Wand hochschreitet. Schon zuvor
sah man die Andeutung geschmolzener Eisenträger und von grauem Staub
eingehüllte Menschen wie nach dem Einsturz des World Trade Center am 11.
September 2001 (Bühne: Martin Zehetgruber). Weil die Kriegs-Lust-Szenen
dieses dramaturgisch so krude ausufernden Werks heute kaum mehr inszenierbar
sind, fallen sturzbetrunkene halbnackte Choristen über ihre Frauen her, ohne
freilich fähig zu sein, den Beischlaf zu vollziehen. Eine Inszenierung des
offenbachisch-überdrehten „Rataplan, pim, pum, pam“ der Zigeunerin
Preziosilla (üppig orgelnd: Nadia Krasteva) verweigert Kušej
einfachheitshalber und lässt dazu den Chor fast unsichtbar auf dem Rücken
liegend singen.
Am Ende gab es einige Buhs für das Regie-Team. Aber
galten sie den verstörenden Kriegs-Bildern oder vielmehr der Harmlosigkeit,
mit der Kušej den Rest inszenierte? Die Geschichte der „Forza“ ist
eigentlich die eines modernen „Ehren-Mords“. Keine ominöse „Macht des
Schicksals“ waltet hier, sondern die menschliche Unfähigkeit zu vergeben und
männliche Aggression, die hasserfüllt nicht eher Ruhe gibt, bis mehrfache
Rache vollzogen ist. Diese Geschichte mit Bildern der
Welt-(Kriegs-)Geschichte zu illustrieren, macht sie nicht verständlicher,
sondern verkleinert sie.
Weltklassesänger retten und tragen den
Abend: Nicht nur gönnt Verdi der Leonora die größte musikalische und
charakterliche Entwicklung – auch wenn sie im gesamten, langen dritten Akt
nicht auftritt -, die Harteros erfüllt das mit musikalischer Intensität und
einem in jeder Lage bis hin in die fantastisch Spitzentöne runden,
gehaltvollen, kostbaren Soprans. Jonas Kaufmanns ebenfalls dunkel geerdeter,
nicht minder charakteristischer Tenor passt als Don Alvaro zu dieser Stimme
und dieser Frau, als wäre er dafür geschaffen. Auch er agiert, als hätte er
diese Partie schon dutzendfach gesungen. Wenn die beiden zusammen auf der
Bühne sind (leider selten in dieser Oper), dann ist das Glück vollkommen.
Aber auch wenn Kaufmann auf den hasserfüllten Bruder Don Carlo di Vargas in
Gestalt des ebenso kernigen, wie herrlich strömenden (Verdi-)Baritons von
Ludovic Tézier trifft, ereignet sich Große Oper. Sogar Vitalij Kowaljow in
der Doppelrolle des bösen und des guten „Padre“, also als Marchese di
Calatrava wie als Padre Guardiano, überzeugt mit warmem, intensivem Bass.
Nur schade, dass Asher Fisch am Pult zwar zwischen Bühne und Graben präzise
vermitteln kann, das Bayerische Staatsorchester aber oft allzu simpel lärmen
lässt und kaum je Feinschliff oder sehnige Flexibilität des Klangs erreicht.
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