BR Klassik, 7.10.2013
Franziska Stürz
 
Puccini, La fanciulla del West, Wiener Staatsoper, 5. Oktober 2013
 
Wildwest-Romanze mit tückischen Schwierigkeiten
 
 
Marco Arturo Marelli versprach im Vorfeld, Puccinis Oper "La Fanciulla del West" ohne Wildwestklischees auf die Bühne der Wiener Staatsoper zu bringen. Mit Nina Stemme und Jonas Kaufmann war die Premiere am Samstag top besetzt.
 
Diese Minnie ist ein "Tough girl": Sie steht allein ihren Mann inmitten einer Horde einsamer, in sie verliebter Minenarbeiter, ist Mutter, Schwester und Objekt der Begierde für alle, beherrscht das Falschspiel beim Pokern und weiß sich bestens mit der Waffe zu verteidigen. Sie wird mit allen Widrigkeiten fertig und rettet am Schluss ihren Geliebten sogar vor dem Strang.

Doch einen wirklich schwer zu bezwingenden Gegner hat Giacomo Puccini seiner Minnie rein musikalisch gegenüber gestellt: Das Orchester. Gegen die aufbrausende Wucht der Klänge aus dem Graben, die das raue Wildwest-Leben gerne unisono mit den Gesangsstimmen heraufbeschwören, kann zumindest in der Wiener Neuproduktion nur eine Brünnhilden-gestählte Stimme wie die der fabelhaften Nina Stemme bestehen. Selbst Jonas Kaufmann klingt trotz Aufbietung seiner strahlenden veristischen Heldentöne als Dick Johnson eher lyrisch-zart.

Die Grundlautstärke aus dem Graben lässt jedenfalls vermuten, dass Franz Welser-Möst den Orchesterpart des Werkes wichtiger nimmt als die überwiegend in Dialogform komponierten Gesangsstimmen. Sicher, das Orchester der Wiener Staatsoper glänzt in jeder Phrase dieser "Fanciulla", aber gelegentlich hätte man - zumindest im Parkett - doch gerne etwas mehr von den feinen Zwischentönen des fulminant gestaltenden Paares Stemme-Kaufmann wie auch des restlichen Ensembles gehört.

Mit roter Lockenfrisur in Latzhose und Karohemd

Im ersten Akt verlegt Regisseur Marco Aturo Marelli die Handlung in eine karge Wellblechcontainer-Siedlung der Goldminenarbeiter, deren Kostüme zwischen klassischem Westernlook, 30er Jahre Arbeiterkluft und heutigem Country-Style changieren. Nina Stemme sticht auch optisch mit roter Lockenfrisur in Latzhose und Karohemd aus der Masse hervor und bewirtschaftet einen mobilen Getränkekiosk. Die Personenregie setzt auf realistische Darstellung und feine Charakterisierung, was bis in die Chorpartien bestens funktioniert.

Nina Stemme setzt souverän ihre Spitzentöne neben warm strömende Kantilenen und Jonas Kaufmann steigert sich von der rührenden Liebeserklärung in Minnies Bungalow im zweiten Akt bis hin zur verzweifelten Arie vor dem dramatischen Showdown am Schluss. In dem grandiosen Tomasz Konieczny als aggressivem Jack haben beide einen ebenbürtigen Widersacher.

Wildwest-Romanze mit tückischen Schwierigkeiten

Die endlich zur Ruhe kommende, innige Stimmung des Happy Ends bricht Regisseur Marelli leider durch einen plötzlich einschwebenden bunt gestreiften Fesselballon, in dem das Heldenpaar über die Berggipfel entschwebt. Auf diesen lächerlichen Kitsch-Akzent hätte man in der sonst konsequent auf Realismus setzenden Inszenierung verzichten können. "La Fanciulla del West" bleibt auch 2013 eine Wildwest-Romanze mit tückischen Schwierigkeiten in musikalischer wie szenischer Realisierung, doch besser besetzt als in Wien kann man das Werk momentan wohl nicht erleben.


















 
 
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