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Musik in Dresden, 22.5.2013 |
Martin Morgenstern |
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Richard-Wagner-Dämmerung in Dresden
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Foto: Matthias Creutziger |
Am
Vorabend des Richard-Wagner-Geburtstags. Der Himmel über dem Theaterplatz
färbte sich pflichtschuldig götter-feurig. Dresden feierte mit einem
unerwarteten Conferencier: Olaf Schubert.
Der verteilte sein Wissen
gerecht unter den Bedürftigen, erklärte "dem ganz normalen Übigauer", der
"bei Wagner zuerst an den Mittelstürmer von Dynamo denkt": Also, Wagner, wo
kam der her, wo geht der hin? Dabei fand er zwischen sich und Wagner, dem
"Erfinder der Finanzkrise", dem "Schergen seiner Gene", dem
"Vagina-Vasallen", überraschend viele Parallelen.
In der Stadt, "wo
Wagner WAGNER wurde", ist damit der Höhepunkt der 2013er Feierlichkeiten
erreicht. Monatelang wurde auf diesen Dienstag hingearbeitet, mit Jonas
Kaufmann ein Weltstar gewonnen. Eindrucksvoll am Ende, dass nicht nur ein
paar Staatsgäste im Sempernrund mit Champagnerflöten klickten, sonder der
gesamte Theaterplatz mit Wagner-Fans, naja, Schubert-Fans gefüllt war.
Immerhin: öffentlichkeitswirksamer ist Wagner sicherlich selten gedacht
worden in den letzten einhundertdreißig Jahren. Korrigiere: in den letzten
siebzig Jahren.
Es gehört denn zu unserem ambivalenten Verhalten dem
Komponisten gegenüber, dass wir zwischen schroffer Ablehnung und
rauschhafter Bewunderung hin- und herhinken und uns dabei scheuen,
zurückzublicken, wie es wohl anderen zu anderen Zeiten mit ihm gegangen sein
mag. Inwieweit etwa sein immer wieder zitierter Antisemitismus ein
Zeitphänomen, gar ein Gesellschaftsphänomen gewesen sein könnte: Eleonore
Büning erwähnt da heute in ihrem, mit trotzigem Unterton geschriebenen Text
»Das unwiderstehliche Böse« relativierend, dass auch Robert Schumann
Antisemit gewesen ist; sie wird sich dafür wahrscheinlich noch rechtfertigen
müssen.
Zum Konzert selbst - das hier noch einmal nachgehört werden
kann - nur so viel: es schien bei der Staatskapelle lange eine Art
musikalisches Unschärfeprinzip zu geben: Der aufwendige Live-Mitschnitt
eines Kapell-Konzertes schien zwangsläufig mit einer Minderung der
musikantischen Freiheit verbunden; vielleicht dem Bemühen, bei einer
Aufnahme hörbare Fehler zu vermeiden (was wiederum musikalische
Ausdrucksmöglichkeiten beschnitt). Dieses Heisenbergsche Dilemma scheint das
Orchester unter Christian Thielemann, der auch bei live-Mitschnitten stets
die Extreme forciert, langsam zu besiegen. Zwar wirkte der Anfang des
Konzerts noch etwas steif, etwas förmlich; aber irgendwann hatte sich die
Kapelle warmgespielt und lieferte jubiläumsreifen Glanz, begleitete Kaufmann
schwelgerisch und doch durchhörbar, geschmeidig und dann wieder kraftvoll
auftrumpfend.
Eines jedoch war das Konzert in der Semperoper, was
Olaf Schubert nie ist und was Wagner nie war: es war vom Inhalt her ziemlich
erwartbar. Der Schachzug, den sächsischen Großmeister von einem sächsischen
Komiker feiern zu lassen, sorgte für einiges Kopfschütteln, war aber am Ende
der beste Einfall des Wagner-Jahres überhaupt. Schade, dass Olaf Schuberts
philosophische Betrachtungen – "Hochkultur für niedriges Volk" – bisher nur
in Ausschnitten nachhörbar sind.
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