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TLZ, 15.8.2013 |
Joachim Lange |
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Verdi: Don Carlo, Salzburger Festspiele, 13. August 2013 |
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"Don Carlos" in Salzburg: Schwache Inszenierung, musikalisch grandios
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Mit Verdis großer Oper in Starbesetzung endete der Salzburger Premierenreigen. |
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Salzburg. Es war die letzte große Opernpremiere dieser Festspiele. Nach dem
heiter bildopulenten "Falstaff" im Altersheim jetzt noch einmal Verdi. Als
großes Auffahrt-Spektakel im Festspielbezirk. Hoffnungslos ausverkauft. Mit
Starüberschuss auf dem Besetzungszettel. Und mit Wiener Philharmonikern, die
als Hausorchester der Festspiele im Graben des Großen Festspielhauses ihren
besten Opernabend ablieferten. Was wohl auch an Antonio Pappano lag.
Jedenfalls war das um Klassen besser als Daniele Gattis
"Meistersinger"-Versuch vor zwei Wochen. Und das, obwohl just am
Premierentag das Unbehagen der Philharmoniker mit der Expansionssucht des
vorzeitig an die Mailänder Scala wechselnden Festspielintendanten Alexander
Pereira, groß aufgemacht in der regionalen Presse, nachzulesen war. Es
passiert nicht alle Tage, dass ein Spitzenorchester, das sich für noch
besser hält, als es tatsächlich ist, seine Belastungsgrenzen und seinen
Unmut so deutlich zu Protokoll gibt. Aber diesmal machten sie ihrem Namen
alle Ehre.
Festspielpassend gab es eine aufgerüstete italienische
Fassung des Fünfakters. Ohne Ballettmusik, dafür aber mit dem
Fontainbleau-Akt. Da begegnen sich der spanische Infant Don Carlo und die
französische Prinzessin Elisabetta als Brautleute. Samt der berühmten Liebe
auf den ersten Blick, gegen die sie bis zum Ende des Fünfstunden-Abends
vergeblich ankämpfen. Denn Spaniens König, Carlos Vater, heiratet die Braut
des Sohnes selbst. Eine Staatshochzeit für den Frieden. Das Volk atmet auf,
die Betroffenen werden nicht gefragt.
Aber es geht um mehr. So wird
das Orchester zum wahren Abgrund, wenn der Großinquisitor (grandios: Eric
Halfvarson) dem allmächtigen König die Grenzen seiner Macht aufzeigt,
eiskalt den Tod des Infanten als Strafe für seinen Einsatz für die
abtrünnigen Niederländer abnickt, um dann auch noch den Kopf des Marquis
Posa zu fordern, den der König als einzigen Menschen - auf seine Art -
lieben gelernt hat. Es gibt die Prinzessin Eboli, eine Mezzo-Intrigantin auf
eigene Rechnung, mit kurzen aber effektvollen Auftritten. Man wird von einer
hinreißenden, ergreifenden Nummer zur nächsten getragen.
Traumpaar unter den Sängern Wobei in dieser Produktion das
Orchester und die Sängercrew das nahezu allein bewältigen. Denn die Regie
von Peter Stein bewegt sich im hochbezahlten Niemandsland zwischen
Verweigerung und Frechheit. Es ist tatsächlich jener Peter Stein, dem in
seinen Schaubühnen-Jahren ganz Theater-Westberlin bewundernd zu Füßen lag.
Doch diesmal verschafft er dem Wort Versteinern einen unseligen
Beigeschmack. Es ist nicht nur die Abwesenheit jeder Ambition, etwas zu
erzählen, was mitschwingt oder mit uns zu tun hat. Auch der handwerkliche
Dilettantismus verblüfft. Zur Symmetrie tendierende Tableaus.
Hingeschluderte Auf- und Abmärsche des Chores. Eine an Peinlichkeit nicht zu
überbietende Ketzerverbrennung mit Dampf und Videoflammen und einem
Aufmarsch von exotischen Kostümträgern, die gar nicht schnell genug auf ihre
Plätze kommen, da brennt es im Hintergrund schon.
Bei den
Passionsfestspielen in Oberammergau kommen ähnliche Szenen jedenfalls
professioneller rüber. Und wenn dann mal was passiert zwischen den Akteuren,
müssen sich Carlo und Elisabetta gleich am Boden wälzen oder die Hofdamen
zum Schleierlied der Eboli die Röcke lüften. Dass Karl V. leibhaftig wie
sein Denkmal in goldener Rüstung daher stampft, ist noch das geringste Übel.
Es ist, trotz des Kostümaufwandes von Annamaria Heinreich, nicht mal ein gut
gemachter Kostümschinken, was da zwischen dem kargen Bühnenarchitekturgrau
von Ferdinand Wögerbauer abläuft.
Nur einmal, bei Filippos "Sie hat
mich nie geliebt", da ist die Szene glaubwürdig. Was aber auch mehr an Matti
Salminen liegt, der hier die Verzweiflung eines alten Mannes, szenisch noch
mehr als stimmlich, beglaubigt. Sein König ist ehrfurchtgebietend, weil er
seine jahrzehntelange Erfahrung mit den einschlägigen Opernmonarchen
aufbieten kann. Thomas Hampson erntete für seinen etwas reifen Rodrigo
gleichwohl viel Jubel. Die Eboli von Ekaterina Semenchuk sang schön und
routiniert. Ganz anders das tragische Liebespaar. Jonas Kaufmann ist ein
mühelos strahlender, leidenschaftlicher Don Carlo, der die Nichtregie mit
seinem verunsicherten, jugendlich wankenden Spiel unterläuft. Und Anja
Harteros: jeder Zoll und jeder Ton eine Königin im Zwiespalt zwischen
Leidenschaft und Staatsraison. Ein Traumpaar wie es im Buche steht.
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