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Der Neue Merker, 11/2012 |
Sieglinde Pfabigan |
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Schubert: Die schöne Müllerin, Wiener Staatsoper, 23. Oktober 2012 |
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23.10.: Solistenkonzert: JONAS KAUFMANN / HELMUT DEUTSCH
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Ausverkauft. Kein Wunder. Denn Jonas Kaufmann zu mögen, ist nicht schwer. Ob
der beliebte Tenor nun gerade ein bisschen besser oder schwächer disponiert
antritt - das „Gesamtkunstwerk" bleibt.
Auf liebenswürdige Weise
eröffnete Kaufmann seinen Liederabend damit, dass er dem Publikum mitteilte,
dass ihn ein Virus befallen habe, der beinah zu einer Absage hätte führen
können. Aber der Wille des Sängers war offenbar stärker: er wollte unbedingt
seine „Schöne Müllerin" den Wienern ans Herz legen. Man möge entschuldigen,
wenn er hin und wieder zu der bereit gestellten Flasche mit labendem Trank
greife. - Und dann erklärte er noch, dass man ihn in Berlin aufgefordert
habe, doch den Leuten zu sagen, dass es sich bei der „Schönen Müllerin" um
einen Zyklus handle, der ohne Pause und störenden Applaus durchgesungen
gehöre. „Ich glaube, das brauche ich Ihnen in Wien nicht zu sagen", meinte
der Künstler und verzieh dem Publikum dann auch einige spontane
Klatscheinlagen nach besonders hinreißend dargebotenen Liedern.
Seine
sympathische Natürlichkeit prägte auch den Liedvortrag. Ein wirklich ganz
junger, lebensfroher Bursch folgte zunächst dem Wasser, den Rädern, den
Steinen... So wie er diese Objekte fröhlich und amüsiert wortdeutlichst
schilderte, wanderte man nur zu gerne mit. Schon beim 2. Lied, dem
„rauschenden Bächlein aus dem Felsenquell" fand seine Stimme den passenden
jugendlich-hellen Klang für das begehrte Abenteuer. Vollkommen locker und
leicht half sie ihm, zur nächsten Mühle zu gelangen, wo seine innere und
äußere Unruhe einen Hafen zur Einkehr gefunden zu haben glaubte, sich jedoch
bis zur Unerträglichkeit steigern sollte: „War es also gemeint?" Ganz
wunderbar gelangen dem Tenor die gefühlsmäßigen Annäherungen an die reizende
junge Müllerin. Traumhaft, wie er sich mit herrlichem Legato in „O Bächlein
meiner Liebe" hineinlegt und dadurch mit aller nur möglichen
Selbstsuggestion sein Glück herbeizuzwingen versucht. Mit dem vitalen „Hätt
ich tausend Arme zu rühren" hat er ebenso vorgebaut, wie er dem Gedanken bei
„Ich schnitt es gern in alle Rinden ein" vehement nachhilft.
Mit
„Dein ist mein Herz", mit hellem Tenorstrahl bekannt, gibt es für ihn kein
Zurück mehr. Die unbedarfte Naivität, mit der Jonas Kaufmann hier des jungen
Wanderers Gefühlen Ausdruck verleiht, bezwingt. Poesie pur lässt er uns
erleben. Die Schubertsche Lyrik auf Wilhelm Müllers Text macht es ihm
offenbar leicht und er selber es sich nicht schwerer. Kein Intellekt kommt
dazwischen. Des Sängers ganze Intelligenz konzentriert sich darauf,
natürlich zu sein.
Wenn die Lieder im 2. Teil dann immer trauriger
werden, bleibt er dennoch der mit Lust dichtende und singende Wanderer. Mit
welchem Charme besingt er das liebe Grün, das die Müllerin so gern hat, und
das böse Grün, das ihn überallhin verfolgt. Es sind wirkliche Dialoge, die
er mit allen diesen Naturerscheinungen führt. Der ersehnte Liebestod im
Bächlein und „der Himmel da oben, wie ist er so weit" - sie gehören
zusammen.
Jonas Kaufmann war letztendlich in hervorragender
Verfassung (so schien es zumindest). Seine baritonale Mittellage und die
strahlende, topsichere Höhe haben sich einander angenähert, sodass es nicht
mehr zwei Stimmen sind, sondern eine. Und mit der kann er eigentlich machen,
was er will. Ein wunderbares Stadium! Vergessen war an diesem Abend der
leidenschaftlich-heroische Wälsung, vergessen der grübelnde alte Faust,
vergessen der gefolterte Revolutionär Cavaradossi. Anwesend war der junge
Müllerbursch mit seiner lebhaften Fantasie und seinem liebebedürftigen
Herzen. Helmut Deutsch, der dem Sänger am Flügel assistierte, war eigentlich
ein Wanderkamerad, der nicht nur auf alles einging, was sein Freund dachte
und fühlte, sondern ihn ebenso stark zu all dem anregte. Wenn man dem
geübten Sängerbegleiter auf die Finger sah, meinte man, die bewegten sich
von selber, egal, wie schnell oder langsam, vollgriffig oder einzelne Noten
Klang werden lassend er die Tasten berührte. Auch hier Poesie pur, ein
unglaublicher Farben- und Formenreichtum, doch alles zu großer Kunst
vereint.
Es war fast rührend, dass dieses fabelhafte Duo sich dann
auch noch zu drei Zugaben herbeiließ. Das erste Lied, es könnte „Der
Jüngling an der Quelle" gewesen sein, sang Kaufmann in einem so
unwahrscheinlich zarten Piano, endend in ätherischem pppp, dass man nicht
fassen konnte, wie dieser Sänger auch Siegmund und Parsifal singt. Die
„Forelle" voll beinah kindlichem Übermut und der „Musensohn" voller Kraft
und Elan waren die sozusagen „normalen" Rausschmeißer.
Ja, solche
Liederabende dürfen auch im großen Haus der Wiener Staatsoper stattfinden! |
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