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Frankfurter Rundschau, 9. Gezember 2012 |
Joachim Lange
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Wagner: Lohengrin, Teatro alla Scala, 7. Dezember 2012 |
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Held wider Willen |
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Daniel Barenboim und Claus Guth eröffnen die Saison an der Mailänder Scala. |
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Es ist längst nur noch Fassade, aber zur traditionellen Saisoneröffnung an
der Mailänder Scala am 7.Dezember tun alle immer noch so, als sei Italien
ein Opernland. Dass der Intendant Stephane Lissner und sein Musikchef Daniel
Barenboim mit betont weltoffener Geste das Verdi- und Wagner
Doppeljubiläumsjahr mit „Lohengrin“ einleiteten, wurde natürlich kritisiert.
Dafür legte sich Barenboim dann aber mit einer ziemlichen Portion Italianita
ins Wagner-Zeug. „Lohengrin“ ist ohnehin die wohl italienischste Oper des
deutschen Großkomponisten. Nicht nur die Bläser aus den Seitenlogen oder das
Brautgemach-Vorspiel klangen ziemlich italienisch aufgedonnert.
Für
den Regisseur Claus Guth und seinen Ausstatter Christian Schmidt war
„Lohengrin“ das letzte noch anstehende Stück aus Wagners Gesamtwerk.
Womöglich ist es deshalb mehr ein Resümee ihrer Mittel und Ansätze, als ein
wirklich stringenter Wurf geworden. Im opulenten Außen-Innenraum mit
dreistöckiger Fassadenwand samt durchgehender Galerien, mit Schreibtisch und
Kronleuchter sowie Bäumen, Schilf und Klavier psychologisiert sich Guth
durch die Geschichte. Elsa geht bei jeder Gelegenheit zu Boden, muss sich
dauernd kratzen, kaut an den Nägeln. Der nicht mit Schwan auftauchende,
sondern als Ergebnis eines Krampfanfalls plötzlich ebenso verkrampft am
Boden liegen Lohengrin sieht aus wie dessen Alter Ego.
Darstellerische Flexibilität
Vor allem Jonas Kaufmann als Lohengrin
macht daraus die anrührende Geschichte eines Außenseiters mit
Kaspar-Hauser-Syndrom, der zum Helden wider Willen gemacht wird. In Hochform
strahlend bietet Kaufmann indes weit mehr als den Silberglanz des
Gralsritters auf Exkursion. Für die erkrankte Anja Harteros war
kurzfristig Annette Dasch eingesprungen – in ihrer darstellerischen
Flexibilität ist sie ein Glücksfall für Regisseure in Not. Leider ist sie
keine ideale Elsa, ihre Stimme klingt mitunter zu klein. Mit René Pape als
erstklassigem König Heinrich und Evelyn Herlitzius als Ortrud hat Barenboim
bewährtes Wagner-Personal nach Mailand einfliegen lassen, während der
Heerrufer des erstklassigen Verdi-Baritons Zeljko Lucic verwaschen und
gaumig klang. Barenboim hielt das Ganze zusammen, fing die Chöre auch wieder
ein, wenn sie sich mal zu verselbständigen drohten. Am Ende einigte man sich
dann im Hause Verdis auf ein „Vivat Wagner!“
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