Der Neue Merker, 1.1.2013
DZ
 
Die Fledermaus, Bayerische Staatsoper, 31. Dezember 2012
 
DIE FLEDERMAUS – mit einem „Knaller“ 
 
Zuerst lief es ja ein bissel zäh an, das Ganze, so dass bis zur Pause die rechte Laune fehlte. Beim 2. Teil des Orlofsky-Festes aber, kam dann endlich die bei einer Silvester-Fledermaus zu erwartende Überraschung, und die war, im Gegensatz zu Wien, nicht vorher angekündigt gewesen, und die war ein echter „Knaller“.

Aber hübsch der Reihe nach: Paolo Carignani dirigierte mit dem bestens aufgelegten Staatsorchester einen spritzigen Johann Strauß. Das Sängerensemble war solide bis sehr gut. Rosalinde Silvana Dussmann muss wohl indisponiert gewesen sein (angeschlagen wird ja dummerweise nichts mehr…), denn sie war stimmlich hier nur ein Schatten ihrer selbst und ging mit äußerster Vorsicht zu Werke, so dass auch der Csárdás, sicherlich sonst eine ihrer Renommiernummern, sehr schaumgebremst ausfiel. Johannes Martin Kränzle gab dem bürgerlichen Lustmolch Eisenstein alles, was es für diese Rolle braucht. Markus Eiches Bariton (Dr. Falke), der mich einmal als Wolfram sehr beeindruckt hatte, klingt derzeit leider eher etwas hart und trocken, auch wenn er sich beim Brüderlein-Ensemble um stimmlichen Balsam bemühte. Tara Erraught gab ihr Orlofsky-Debut. Das war womöglich der niedlichste Prinz, den man sich denken kann, da konnte man das Teenager-Alter dieses „Bürscherls“ durchaus nachvollziehen. Dazu passte ihr jugendlich leichter Mezzo sehr gut. Ulrich Ress ergötzte das Publikum als Dr. Blind mit seiner „Mosi“-Maske (nach dem einstigen Modezaren Rudolf Moshammer) und gekonntem Stottern. Ich hatte mich beim Lesen der Vorankündigung sehr auf Christian Rieger als Gefängnisdirektor Frank gefreut (endlich ein stimmlich wie optisch fescher Kerl in der Rolle). Es kam bedauerlicherweise zu einer Besetzungsänderung, und der STO-Führung fiel nichts Besseres ein, als den 74-jährigen Alfred Kuhn hierfür zurück zu holen. Der arbeitete sich mit Routine und rudimentären Stimmresten durch die Partie – aber, meine Güte, es herrscht doch kein Bariton-Mangel an der STO… – Schauspieler Michael Lerchenberg „brillierte“ als Gefängniswärter Frosch mit köstlichen, aber nie überzogenen Gags, und Stefanie Erb spielte Adeles schwäbelnde Schwester Ida.

Und nun zu den gesanglichen Spitzenleistungen: Anna Virovlansky war eine Adele zum Anbeißen und sang einfach wunderbar mit ihrem schön timbrierten lyrischen Sopran. Alfred, Tenor und Herzensbrecher, wurde von Pavol Breslik mit viel Charme, Humor und edlem lyrischen Tenor verkörpert.

Und dann kam er, der „Knaller“: Prinz Orlofsky kündigte an „den Tenor der Tenöre“: JONAS KAUFMANN! Das war nun wirklich eine gelungene Überraschung. Hatte man doch eher mit dem einen oder anderen Künstler aus den drumrum liegenden Rigoletto- oder Aida-Serien gerechnet. Aber nun Kaufmann. Da ging ein gewaltiger Beifallssturm durchs Haus, schon bevor Münchens hochverehrter und heiß geliebter Sohn überhaupt einen Ton von sich gegeben hatte. Kaufmann schwebte in der Wolkengondel der drei Knaben aus der Zauberflöte ein, gekleidet in einen fantasievollen, gold-bunten Gehrock. Da oben schaukelnd, sang er zunächst „Du bist die Welt für mich“ (Richard Tauber), danach, wieder auf dem Boden der Tatsachen, ein im Zusammenwirken mit dem Dirigenten regelrecht durch-zelebriertes „Core ‘ngrato“ (Salvatore Cardillo). Der Publikums-Hunger nach mehr wurde mit dem Traviata-Brindisi (Verdi) gestillt, neben dem gesamten Ensemble und Kaufmanns Alfredo mit Anna Virovlansky vielversprechend im Violetta-Part.

Wer nun dachte, damit sei das illustre Gastspiel beendet, der wurde angenehmst eines Besseren belehrt. Im Gefängnis des letzten Aktes saß nämlich an diesem Tag nicht nur ein Tenor ein, nein, es gab deren zwei: In Zelle 12 Alfred, in der Nummer 10 Kaufmann. Der begann erst mal mit einer Sternenarie zum Niederknien. Im weiteren, heiteren Verlauf des Stückes lieferte er sich ein munteres Wettsingen mit Alfred. Kommentiert von Frosch, kam es dabei zu gar köstlichen Gesangseinlagen; die berühmte Vogelgeschichte (Täubchen, Schwan, etc.) gipfelte in Bresliks „Biene Maja“…

Zum Schluss: „Champagner hat‘s verschuldet…“ – und alle schienen glücklich zu sein – auf und vor der Bühne. - Jonas Kaufmann eilte anschließend zum Bayerischen Hof um die Opernnacht von Tele 5 live zu kommentieren.

Fazit: Auch wenn sich letztlich alle amüsiert haben, diese eigentlich fade Produktion, speziell die magere Szenerie des Orlofsky-Bildes, „nach“ Leander Hausmann, regielich aufbereitet von Helmut Lehberger, gehört doch bald einmal ersetzt – in der Hoffnung auf eine neue, strahlende Fledermaus, bei der auch der Humor nicht zu kurz kommt (was bei Neuproduktionen ja nicht immer gewährleistet ist).
 






 
 
  www.jkaufmann.info back top