Kronen Zeitung, 03.02.2012
KARLHEINZ ROSCHITZ
Gounod: Faust, Wiener Staatsoper, 1. Februar 2012
Die Liebesglut eines Lyrikers
 
 
Kraftvoll, mit Elan, nobler französischer Diktion gestaltet er Arien. Feine Differenzierung in Ausdrucksnuancen und Stimmungsfarben sind ihm aber ein besonderes Anliegen. Das heißt, sein Faust verwandelt sich von Szene zu Szene vom schüchternen Schwärmer zum ungestümen Liebhaber. Seine hohe Lage, die auch ein wunderschönes Piano bietet, lässt er sanft strahlen.

Die Albanerin Inva Mula, seit 1998 als Antonia und Lucia bekannt, ist seine Marguerite: Ein sanftes Geschöpf mit heller, makelloser Stimme. Ihre "áir des bijoux" (Juwelenarie) singt sie mit perfekter Sicherheit und reich an Ausdrucksnuancen. Fast klingt sie mitunter zu sanft, zu entrückt, etwa um ihren Abscheu gegenüber Mephistopheles herauszuschleudern.

Enttäuschend, weil ohne Dämonie, martialische Kraft und Wildheit und Verführungskunst geriet der Mephisto Albert Dohmens, der mir zu brav und kaum satanisch wirkt. Iván Eröd ist - wie stets - ein ungemein verlässlicher, berührender, wunderschön singender Valentin, der etwa in seinem "Avant de quitter ces lieux" Glück und Abschied, Zuneigung und Melancholie beschwört.

Solide charakterisieren Hans Peter Kammerer den Wagner und Juliette Mars (seit 2006 in Wien) den etwas übersensibel wirkenden, exaltierten Siebel. Fast schon eine Entdeckung ist die junge Monika Bohinec als Frau Marthe, die ihren hübschen Mezzo kultiviert führt.

Beachtlichen Erfolg verbuchte der Dirigent Alain Altinoglu, den wir von seinem "Romeo" kennen. Mit Gounods "Faust" ist er vertraut - er dirigiert ihn auch an der "Met". Er hat das Gespür für diesen Mix aus raffinierter Melodik, Stimmungs- und Klanginszenierung, großer Geste und bezaubernder Lyrik. Und er überträgt seine Vorstellungen genau auf das Orchester, das ihm Klangschönheit, Frische und Eleganz bietet.

Die Inszenierung, eine Verlegenheitslösung nach Nicolas Joels Erkrankung, könnte man entsorgen. Dass die Walpurgisnacht hier ganz fehlt, ist eine dramaturgischer Unfug. Und für ein Haus wie Wien ärgerlich.






 
 
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