Opernglas, März 2012
J.-M. Wienecke
Verdi: Don Carlo, Bayerische Staatsoper, 26. Januar 2012
München - Don Carlo
 
 
Als Jürgen Rose seine »Don Carlo«-Inszenierung im Festspielsommer 2000 unter Leitung von Zubin Mehta herausgebracht hatte, waren manche Wünsche offen geblieben. Dass die Produktion sich viele Jahre später zu einem Juwel des Spielplans entwickelt haben sollte, hat man damals kaum zu hoffen gewagt. In der jüngsten, heiß begehrten Serie, die der Regisseur und Ausstatter nochmals selbst betreute, erreichte die aufgefrischte, stilistisch überzeugende Produktion nach dessen eigenem Bekunden jetzt ihren Idealzustand. Überzeugender kann Repertoirepflege nicht ausfallen. Wem es gelungen war, eine der raren Karten zu ergattern, durfte sich glücklich schätzen.

Zu feiern gab es eine Besetzung, die ihresgleichen sucht. Allen voran ist Anja Harteros als geradezu betörende Elisabetta zu nennen, die eine Lehrstunde des Verdi Gesangs bot. Eine Stimme, die sich zweifellos auf dem Weg zum Zenit ihrer Karriere befindet und mit unglaublich fein abschattierten Valeurs aufzuwarten vermochte. Ihr perfekt sitzender Sopran schwang sich mühelos in jubelnde Höhen auf, ließ einem bei den berückend sicher gesungenen Piani und weit ausschwingenden Bögen geradezu den Atem stocken. Mit welcher Inbrunst und Gestaltungskraft sie die große „Vanità"-Arie zelebrierte, grenzte an Zauberei und versetzte das Publikum folgerichtig geradezu in Hysterie. Jonas Kaufmann (Carlo) ergänzte sie ideal, zeigte den Infanten als labilen, aber willensstarken Charakter, der an seiner verbotenen Liebe letztlich zerbricht. Vielschichtiger und emotionaler kann man diese Rolle kaum spielen. Der Publikumsliebling trumpfte immer wieder mit den für ihn typischen mächtigen Spitzentönen auf, verfiel aber nur selten in allzu große dynamische Extreme. Sein dunkel grundierter Tenor blieb schön auf Linie, überzeugte mit Schmelz und nicht nachlassender Intensität im Kampf um seine große Liebe. Beherzter hätte das Zusammenspiel beider Künstler nicht ausfallen können. Sie boten nicht nur ein Kraftwerk der Leidenschaften, sondern auch im Sinne Schillers ganz großes Theater.

René Pape komplettierte diese Traumbesetzung mit seinem edel auftrumpfenden Bass, jeder Zoll ein König und im Grunde ernst zu nehmender Konkurrent des eigenen Sohnes. Großartig gelangen ihm die große Arie des einsamen Monarchen und die freundschaftlich-kontroverse Auseinandersetzung mit Posa. Für diese Partie war mit Mariusz Kwiecien zunächst ein weiterer Top-Sänger angekündigt, der sein Gastspiel aber leider kurzfristig absagen musste. Boaz Daniel bemühte sich um Ersatz, konnte das allgemeine Niveau der Vorstellung aber nicht halten. Sein Bariton ließ es im direkten Vergleich an charakteristischer Farbe fehlen, so dass die wunderschönen Kantilenen, die ihm Verdi zudachte, nicht in der gewohnten Weise zu Herzen gingen. Ebenfalls neu im Ensemble: Anna Smirnova. Die Moskauer Mezzosopranistin entsprach zunächst manchem Klischee slawischer Sängerinnen, gewann als Eboli aber schnell an eigenständigem Profil. Die virtuosen Passagen des Schleierlieds entsprachen ihren technischen Möglichkeiten nur bedingt, doch wusste sie diesbezügliche Defizite geschickt zu überspielen. Nach und nach gelang es ihr, umso markanter aufzutrumpfen. Auf die imposante Materialschlacht, die Eric Halfvarson als Großinquisitor in die Waagschale warf, ließ sich Papes Philipp dagegen erst gar nicht ein. Er bewahrte Noblesse. Steven Humes ergänzte das Bass-Trio als Mönch/Karl V auf bemerkenswertem Niveau.

Beispielhaft die Leistungen des Staatsopernchores (Sören Eckhoff) wie des Bayerischen Staatsorchesters unter der engagierten und sängerfreundlichen Leitung von Asher Fish. Als lobenswerter Extra-Service der Staatsoper war die Produktion auch als Livestream im Internet zu erleben. Es wäre wünschenswert, dass sie demnächst auch auf DVD herauskommt. Das Prädikat „besonders wertvoll" wäre ihr schon heute sicher.














 
 
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