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OMM |
Von Stefan Schmöe |
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Strauss: Ariadne auf Naxos, Salzburger Festspiele, 3. August 2012 |
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Des Dichters Liebe zwischen Schwank und Gesamtkunstwerk
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„Vor allem aber wollen wir uns dem immer noch wunderbaren Traum ihrer
Schöpfer verpflichten: die unterschiedlichsten Formen des Theaters, Ballett,
Schauspiel und Gesang, zusammenzuführen. Wo anders wäre dies sinnvoller als
in Salzburg?“ Sven-Eric Bechtolf, Schauspielchef der Salzburger Festspiele
und gleichzeitig Regisseur dieser Ariadne auf Naxos, hat sich für die
„Urfassung“ des Werkes entschieden, in der Komponist Richard Strauss und
Librettist Hugo von Hofmannsthal die einaktige Oper als Schlusspunkt von
Molières Schauspiel Der Bürger als Edelmann (in einer Bearbeitung von
Hofmannsthal) spielen lassen (mit von Strauss eigens dafür komponierten
Balletteinlagen). Die Uraufführung 1912 war ein Misserfolg, „weil ein
Publikum, das ins Schauspiel geht, keine Oper hören will, und umgekehrt“,
wie der Komponist schlussfolgerte. Allerdings waren ihm auch die Dimensionen
aus dem Ruder gelaufen: Mit eineinhalb Stunden Dauer (geplant waren
ursprünglich 30 Minuten) brachte die Ariadne-Oper den Zwitter schon rein
zeitlich aus der Balance, und auch von Molières scharfzüngigem Tonfall
entfernte sich die Musik allzu weit. Der Rest ist bekannt: Strauss
entkoppelte die Werke und komponierte ein szenisches Vorspiel, das den für
die Oper wesentlichen Handlungsstrang – per verfügung des schwerreichen
Auftraggebers müssen heroische Oper und Harlekinade gleichzeitig aufgeführt
werden, was den Komponisten in eine tiefe Krise stürzt - im Parlandoton
aufgreift. Diese Fassung hat sich dann ja auch recht gut an den Bühnen
landauf, landab durchgesetzt.
Natürlich hat es seinen Reiz, quasi
als Geburtstagsgeschenk zum 100. Jahrestag der Uraufführung die Urfassung
auszugraben, und Bechtolfs eingangs zitierte Rechtfertigung stimmt ja auch:
Wo, wenn nicht bei den Sparten übergreifenden, von Strauss wie Hofmannsthal
geprägten Salzburger Festspielen? (Na ja, zum Beispiel an der Wiener
Staatsoper, die als Koproduzent auftritt und die Produktion im Dezember
übernimmt.) Bechtolf hat aber wohl selbst geahnt, dass das Unterfangen allzu
leicht zum musealen Kuriosum werden könne, und dem Werk eine dritte Ebene
als Rahmenhandlung übergestülpt, nicht ohne erhebliche Eingriffe in den
Originaltext. Dabei bezieht er sich auf eine heftige, aber wohl platonisch
verlaufene Affäre Hofmannsthals mit der jungen verwitweten Gräfin Ottonie
von Degenfeld-Schonburg, die manche Parallele sowohl mit Motiven aus dem
Bürger als Edelmann, mehr noch aus der Ariadne auf Naxos aufweist. Also
stellt Bechtolf den Dichter und seine Angebetete ganz real auf die Bühne,
lässt Hofmannsthal (distanziert elegant: Michael Rotschopf) der spröden
Schönen (eher eindimensional: Regina Fritsch) von seinem neuesten Stück
erzählen und die Figuren daraus lebendig werden. Diese durchaus Konstruktion
(die raffinierter verschachtelt ist als man zunächst denkt) trägt die
Inszenierung, sorgt auch für die Verklammerungzwschen Schauspiel und Oper.
Das elegante Ausstattung von Rolf (Bühne) und Marianne (Kostüme) Glittenberg
hält souverän die Balance zwischen der Hofmannsthal- und der Molière-Zeit.
Auf der Strecke bleibt ausgerechnet Molière: Den inszeniert Bechtolf
nämlich als grob geschnitzte Posse, durch die sich Cornelius Obonya als
Möchtegern-Adeliger Jourdain hindurchkasperlt. Das mag man lustig finden
(stellenweise auch weniger), es verwässert Molières Spitzen zu schnellen,
aber harmlosen Pointen und macht das Schauspiel, um das es doch eigentlich
geht, ziemlich überflüssig. Hörenswert sind die Schauspielmusiken, zumal die
Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Daniel Harding den
kammermusikalischen Ton der Musik ganz hervorragend treffen (nicht nur hier)
und kleine Kunstwerke daraus machen. Die braven Balletteinlagen, die Heinz
Spoerli amüsant, aber eben auch ein bisschen bieder choreographiert hat,
hinken allerdings so deutlich hinter dem Stand der Tanzkunst hinterher, das
von einer Vereinigung aller Künste kaum die Rede sein kann - aber das liegt
natürlich bereits an der Konzeption, die ganz sicher nicht am modernen Tanz
ausgerichtet war. So interessant es ist, diese Fassung der Ariadne auf Naxos
einmal zu erleben, so eindeutig liefert sie auch Argumente für die spätere
„reine“ Opernfassung und den „echten“ Molière, aber bitte voneinander
getrennt. Aus Sicht des Opernliebhabers nicht zuletzt deshalb, weil die
Gesangspartie des Komponisten aus dem Vorspiel dann auch zu hören wäre: Das
ist nicht nur sehr schöne Musik, sondern da entwickelt sich auch die
dramaturgisch nicht unwichtige Affäre zwischen dem Komponisten und der
Komödiantin Zerbinetta (die hier ziemlich plump in geschätzten 30 Sekunden
exponiert wird, aber – nicht zuletzt mangels Glaubwürdigkeit – keine weitere
Bedeutung hat, leider).
Die Partie der Zerbinetta wird durch diese
Leerstelle dramaturgisch nicht eben leichter. Elena Mosuc brilliert mit
überaus beweglichem Koloratursopran, der allein bei den allerhöchsten
Spitzentönen ein wenig (aber wirklich nur ein wenig) an Klangfarbe verliert,
aber ihr Problem ist, dass sie die Partie genau darauf ausrichtet: Mit
Virtuosität zu glänzen. Die lyrischen Passagen sind Beiwerk. Bei den ganz
großen Interpretinnen der Partie ist's eher andersrum, da sind die
Koloraturen Beiwerk zu einem lyrischen Charakter, der durchscheinen lässt,
was sich unter der glänzenden Oberfläche dieser Frau verbirgt – das wäre
gerade in dieser Inszenierung nicht unwichtig. Das Nicht-anders-Können, auch
die leise Wehmut, allen Wünschen nach Treue zum Trotz dem nächsten „Gott“ zu
verfallen, das ist ja aus Komödiantinnenmund ausgesprochen genau das, was
hier nicht nur der Ariadne, sondern auch im Überbau der Gräfin Ottonie
widerfahren soll, und das sollte die unterschiedlichen Ebenen der Oper
miteinander verzahnen. Hier laufen sie doch recht scharf getrennt
nebeneinander ab (auch wenn der Dirigent sich alle Mühe gibt, die Zerbinetta
und ihre Gespielen mit einem „edlen“ Ton zu unterlegen).
Die
Ariadne, deren „wüste Insel“ sehr ansehnlich aus den Trümmern von
Konzertflügeln besteht, ist äußerlich eine Doppelgängerin der Ottonie (die
Dorine aus Molières Schauspiel ist eine weitere): Die trauernde Frau, die
sich neuen Bewerbern versagt. Emily Magee singt das mit nicht zu schwerem,
warmem, wenn auch im Klang nicht allzu variablem Sopran. In dieser
Inszenierung könnte man sich zwar ein etwas jugendlicheres Timbre
vorstellen, aber davon abgesehen ist das eine Besetzung von Format. Der
Bacchus, eigentlich eine fürchterliche Schreipartie, die allzu oft von
brüllenden Heldentenören gestemmt wird, ist durch den dunklen, nie
forcierten und bei aller Kraft immer tonschönen Tenor von Jonas Kaufmann
exzellent besetzt; allein in den Piano-Stellen gehen ihm ein paar Töne
unschön daneben. Szenisch bleibt dieser Bacchus rätselhaft, ein katzenhaftes
Wesen, bei dem sich Ariadne in der Tat auf die Idee kommen kann, dies sei
der Tod. Und weil er so schön singt, bekommt er nicht nur die Ariadne herum,
sondern Hugo von Hofmannsthal postwendend auch seine Ottonie. Ach ja, die
weiteren Partien (dramaturgisch in dieser Inszenierung nicht allzu
notwendig) sind durchweg ordentlich besetzt.
FAZIT
Mit dem
Hofmannsthal/Strauss'schen Gesamtkunstwerk ist das so eine Sache: Regisseur
Bechtolf mogelt sich mit einer (sehr schön inszenierten) Ersatzhandlung an
manchen Schwierigkeiten dieses Zwitterwerks vorbei und erledigt nebenbei
gleich noch das Molièresche Schauspiel – dafür bekommt man die originale,
fein transparent verwobene Musik dieser Urfassung zu hören, was schon ein
Erlebnis ganz besonderer Art ist. Sängerisch mit einigem Festspielglanz. |
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