Enttäuschendes "Gipfeltreffen": Opernstars Netrebko, Schrott und
Kaufmann auf dem Münchner Königsplatz
Oper, das ist
inzwischen auch in Deutschland ein Massenspektakel, von
Auto-Edelmarken gesponsert, mit Cabrio-Feeling und Lounge-Musik
im Vorfeld. 15 000 Besucher kamen am Freitagabend zur
Freiluft-Klassik auf den Münchner Königsplatz. Als Fortsetzung
des erfolgreichen Marketings der "Drei Tenöre" Domingo,
Pavarotti und Carreras in den 90er Jahren versucht sich die
Deutsche Entertainment AG nun an einem ähnlichen Format mit dem
"Gipfeltreffen der Stars" in München, Berlin und Wien - mit Anna
Netrebko, Erwin Schrott und Jonas Kaufmann.
Opernliebhaber wurden in München enttäuscht, in der Masse verlor
sich die Klasse. Die Klangkaskaden aus den Mega-Lautsprechern
wirkten schrill, verwischten in den Duetten und Terzetten zum
Tonbrei. Flankiert von zwei gigantischen Videowänden blieb das
authentische Erlebnis im Hintergrund, fokussiert war das Auge
auf die Großbildschirme.
Erotische Wärme erzeugt
Allein Anna Netrebko verfügte über das nötige stimmliche
Charisma, das die technischen Bedingtheiten vergessen ließ: Ihr
Timbre ist nach wie vor einmalig, sinnlich betörend in der
Leichtigkeit und Klangdifferenzierung der Höhen, mit erotischer
Wärme in den tieferen Lagen. Mit betörender Koloratursicherheit
entrückte sie im Duett von Manon und Des Grieux (aus Massenets
Oper "Manon") in schwindelnde Höhen-Euphorie.
Erwin
Schrott dagegen begeisterte im Laufe des Abends zunehmend nicht
nur durch seine schalkhafte Mimik und sein medienbewusstes
Erscheinen, sondern auch durch seine ausgezeichnete sängerische
Form. Schrott bestach durch glänzend timbrierte Tiefe und
subtile, unangestrengte Nuancierung. In der Arie des Banco aus
Verdis "Macbeth", 2. Akt, kam sein Bassbariton bestens zur
Wirkung.
Die Prager Philharmonie gab unter dem Dirigat
von Marco Armiliato den Sängern viel Raum, stützte, ohne sich in
den Vordergrund zu spielen, und zeigte in den instrumentalen
Stücken ein Maximum an temperamentvoller Energie. Armiliato
hielt die Bläser-phalanx im Zaum, unterstrich die Klangfarben
der Klarinetten und Violoncellos. Selbst die Gassenhauer
spanischer Musikliteratur, Giménez' "La boda de Luis Alonso" und
Bizets "Aragonaise" aus "Carmen", wusste Armiliato mit
präzis-subtilen Wechseln zwischen Forte und Piano, weich
fließender Melodik und klaren Pausenakzenten zum Hörerlebnis zu
machen.
Schnulzig und verflacht
Zusammen mit dem
Philharmonischen Chor München unter der Leitung von Andreas
Herrmann verschmolzen Chor und Orchester zu einer harmonischen
Präsentation, wobei Puccinis "Summchor", herausgerissen aus dem
atmosphärischen Kontext der "Madame Butterfly", etwas verloren
wirkte.
Die Programmkonzeption war insgesamt alles andere
als optimal. Der zweite Teil mit dem Schwerpunkt Verdi
verflachte in operettenhafte Glückseligkeit. Einfach nur noch
schnulzig war Schrotts Romanzeninterpretation aus Sorozábals
Zarzuela "La tabernera del puerto", noch schlimmer kam wegen der
stimmlichen Indisposition Kaufmanns anbiedernde Münchenhommage
"Du bist die Welt für mich" aus Taubers "Der singende Traum".
Auf die rhythmisch ziemlich missglückte
Gershwin-Interpretation von "Porgy and Bess" hätten Netrebko und
Schrott besser verzichten sollen. Mit Gounods "Faust"-Finale
"Alerte, alerte, ou vous êtes perdus!" rutschte das
"Gipfeltreffen der Stars" als schrilles Klangdesaster endgültig
in die absolute Schräglage.