Hertener Allgemeine, 12. Oktober 2011
Bernd Aulich
Konzert, Essen, 10. Oktober 2011
 
Goldkehle mit Strahlkraft
 
Jonas Kaufmann betört sein Publikum in der Essener Philharmonie
 
ESSEN. Wie befreit atmete Jonas Kaufmann durch, als ihm die große Turid-du-Arie „Mamma, quel vi-no" aus Mascagnis blutrünstigem sizilianischen Verismo-Drama „Cavalleria rusticana" mit allem gebotenem Feuer glückte. Das Publikum in der Essener Philharmonie tobte.

Da hatte sich der Startenor aus München vollends freigesungen. Sympathisch offen wirkte die unverblümte Geste der Erleichterung. Kaufmann ist nicht der Oberflieger, der Alleskönner, den die Musikindustrie vermarktet. Von Beginn an trug das Publikum in der nahezu ausverkauften Philharmonie den Beau mit der Bilderbuchkarriere auf Händen. Dabei war anfangs ein leicht kehliges Knödeln ebenso wenig zu überhören wie die Mühe, die in der Mittellage fundierte Stimme mit ihrem männlich herben, dunklen Timbre exakt einzuschwingen. Registerwechsel und Phrasierung glücken Kaufmann völlig mühelos. Und das früher kritisierte Vibrato ist völlig gewichen. Sein Tenor besitzt berückende Strahlkraft auch ohne üppiges Volumen.

Das Programm unterstrich seine fulminante Entwicklung vom lyrischen Fach zum jugendlichen Helden. Den Italienern des Verismo-Umfelds war der erste Teil gewidmet. Wagner dominierte nach der Pause. Mit welch überzeugender Intelligenz Kaufmann seine Partien gestaltet, bewies berührend die große Poeten-Szene aus Giordanos Revolutionsoper „Andrea Chenier". Hier offenbarte sich die große Kunst dieses Sängers: die Fähigkeit, das sprachliche Idiom zu musikalisieren und die Durchdringung von lyrischer Emphase und dramatischer Wucht. Schon die Szene des Romeo aus Zandonais „Giulietta e Romeo" zeigte, mit welcher Bravour sich Kaufmann aus der mezza Voces zu scharfer Dramatik aufschwingt. Wie feinnervig, wie gesanglich er bei seinem einzigen Ausflug ins schwere Heldenfach als Siegmund „Winterstürme wichen dem Wonnemond" aus Wagners „Walküre" intoniert, ist schlichtweg grandios. Und wie lyrisch hell er die Gralserzählung des Lohengrin, seiner Glanzpartie in Bayreuth, eröffnet, um dann mit dunklem Zauber sein Geheimnis zu offenbaren, war zweifellos ein Glanzstück eines klar artikulierten, lm Wohlklang schwelgenden vorbildlichen Wagner-Gesangs.

Unter den drei Zugaben gab's als besonderen Dank den Lehar-Schmachtfetzen "Dein ist mein ganzes Herz" *. Dabei hatten die Bochumer Symphoniker unter ihrem hellwachen Gastdirigenten Jochen Rieder mit sinfonischen Zuckerln von Verdis Ouvertüre zur „Sizilianischen Vesper" über Ponchiellis ,Tanz der Stunden", dem Vorspiel zum vierten Akt von Catalanis ,La Wally", dem Bacchanal aus Saint-Saens' "Samson et Dalila" bis zu den beiden „Lohengrin" Vorspielen zum ersten und zum dritten Aufzug nicht gerade gegeizt.

* Es war "Du bist die Welt für mich"
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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