Abendzeitung, 25/01/10
Birgit Gotzes
Massenet: Werther, Paris, 14. Januar 2010
Die Bastille im Sturm erobert 
 
Der Münchner Jonas Kaufmann in der Titelrolle von Jules Massenets "Werther" an der Pariser Bastille-Oper und am Dienstag Abend auf Arte
Achète une place“ – „Karte gesucht“! Die Dame aus dem vornehmen 16. Bezirk hat ihre Karte dagegen schon lange. Sie will „Jojo“ hören, der am 14. Januar in der ausverkauften Bastille-Oper Jules Massenets „Werther“ singt.

Nicht jedem aus dem zur Premiere recht leger gekleideten Publikum ist der Münchner schon ein Begriff. Das dürfte nach diesem Abend anders sein: Jonas Kaufmann erobert mit seinem Rollendebüt die Bastille im Sturm. Sein Werther ist kein lebensuntüchtiger Träumer, kein aus Liebeskummer selbstmordgefährdeter Melancholiker. Er versteht die Figur als einen sensiblen, klugen, zugleich virilen und obendrein attraktiven Schwärmer. Kaufmanns baritonal fundierter, mühelos höhensicherer Tenor verfügt über einen enormen Reichtum an Nuancen. Bei den Parisern kann er zudem mit seiner (fast) perfekten Aussprache punkten.

Perfekte Sänger

Wie beim „Lohengrin“ im Nationaltheater hat Kaufmann eine ebenbürtige Partnerin zur Seite: Sophie Koch zeichnet als Charlotte das differenzierte Porträt eines von der Liebe überwältigten „Engels der Pflicht“.

„Werther“, eine Säule des französischen Repertoires, war in Paris seit Ewigkeiten nicht zu sehen, bis vor nur einem Jahr Gérard Mortier Jürgen Roses Münchner Produktion einlud. Sie wurde in Paris von Kent Nagano dirigiert.

Gekauft aus London

Nun verzichtete auch Mortiers Nachfolger Nicolas Joël auf eine Neuinszenierung. Er kaufte den „Werther“ aus Covent-Garden ein, mit dem der Filmemacher Benôit Jacquot – der den Tosca-Film mit Angela Gheorghiu drehte – 2004 als Opernregisseur debütierte. Er gilt in Frankreich als Spezialist für intime Kammerspiele. Leider kommt seine mehr arrangierende denn inszenierende Regie selten über geschmackvolles Rampentheater hinaus.

Dass der Abend dennoch intim und intensiv gelingt, ist einem bis in die kleinsten Rollen idealen Ensemble zu verdanken. Mit Michel Plasson steht zudem ein Spezialist für französisches Repertoire am Pult. Das Publikum schließt auch das Regieteam in seinen Jubel ein. Mag sein, dass an der Seine Regietheater anders definiert wird als hierzulande. Sicher aber kann eine solche Sänger-Sternstunde die Konvention mühelos mit Leben füllen.






 
 
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