Bonner Generalanzeiger,  30. Juni 2010
Gabriele Luster
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni 2010
Ein ungleiches Paar
 
Münchner Opernfestspiele: Startenor Jonas Kaufmann ist die Attraktion in Luc Bondys „Tosca“
Bei ihr ist alles Kalkül, bei ihm hingegen Gefühl. Floria Tosca huldigt den Posen der großen Diva, stets darauf bedacht, dass der Faltenwurf effektvoll fällt. Selbst nach dem brutalen Mord an Scarpia greift sie sogleich wieder nach dem Fächer... Nur in wenigen Momenten legt sie die Attitüde ab, offenbart ihr Innerstes: „Vissi d‘arte“ ist ein rarer Augenblick.

Cavaradossi hingegen lässt sich von seinen Gefühlen hinreißen. Er bewundert und malt die Angelotti, geht — ohne wirklich ein politischer Revolutionär zu sein — für ihren regimefeindlichen Bruder in den Tod und liebt doch nur seine eifersüchtige Tosca. Das hört man ihm deutlich an. Karita Mattila und Jonas Kaufmann sind das ungleiche Paar in Giacomo Puccinis Reißer „Tosca“, der als erste große Premiere der Münchner Opernfestspiele die Bühne des Nationaltheaters eroberte. Allerdings nur ein Remake. Denn Luc Bondys Inszenierung, mit der er jetzt an der Bayerischen Staatsoper debütierte, hatte bereits an der New Yorker Met das Bühnenlicht erblickt. An der Isar hatte nun Johannes von Matuschka sie neu einstudiert und Bondy nahm am Ende Buh und Bravo dafür entgegen.

Ja, seine Tosca fiel szenisch —Richard Peduzzis monströse Bilder halfen dabei — arg konventionell aus. Aber wie und warum sollte man dieses veristische Schauer-Drama gegen den Strich bürsten? Bondy beließ es (Kostüme: Milena Canonero) in seiner Zeit, also 1800, und setzte auf die Charakterisierung der Protagonisten. Das gelang bei der Titelpartie, die Karita Mattila gekonnt mit den Allüren der selbstverliebten Künstlerin ausstattete, gut, zumal Jonas Kaufmann als Cavaradossi den emotionalen Gegenpart lieferte. Mattila überzeugte zunächst mit großem, ausdrucksintensivem Sopran, gestaltete ihre Arie im zweiten Akt sehr eindringlich, verlor dann aber im Schlussbild öfter die Kontrolle. Kaufmann stürzte sich von Anfang an mit ungeschütztem, offenem Tenor in die Partie, durchlitt sie in vollen Zügen und mit feinem Gespür für Differenzierungen. Er brachte — obwohl ihm gegen Ende manches Piano arg guttural geriet — die Sterne, die Bondy übrigens schuldig blieb, zum Leuchten und war der unbebuhte Star des Abends. Die Mattila musste einige einstecken und Julia Uusitalo auch. Sein glatzköpfiger Scarpia wirkte zwar fies, aber das wirklich Widerliche, Böse strahlte er nicht aus. Auch fehlte seinem Bariton alles Finstere. Da half es wenig, dass die Regie ihn als Erotomanen stilisierte, der sich schon im ersten Akt Tosca körperlich nähert, gar die Madonnen-Statue greift und im zweiten von drei leichten Mädels umgarnt wird —was, leicht peinlich, nach Altmännerfantasie riecht.

Sinn macht hingegen, dass Tosca — hier bar jeder Pose — schon frühzeitig das Messer wahrnimmt, mit dem sie dann mehrmals auf Scarpia einsticht. Er rutscht kopfüber von der Couch und Bondy erspart Tosca und uns die gängige „Aufbahrung“ mit den Kerzenleuchtern. Statt dessen drapiert sie sich - wieder ganz in der Diven-Rolle — auf dem anderen Sofa und fächelt sich Kühlung zu...
Trotz manch stimmiger Details, so richtig packte diese „Tosca“ nicht. Und das lag keineswegs an Fabio Luisi, der am Pult des Bayerischen Staatsorchesters die musikalische Qualität auf bestem Niveau sicherte. Er beleuchtete Puccinis immer wieder mit harten Brüchen arbeitende, sich in nur wenigen Verweil-Momenten verströmende Partitur mit Hingabe. Souverän in der präzisen Koordination von Orchester und Sängern, gestaltete er die wirklich großen Momente: Von der Pianissimo-Zartheit bis hin zu den grellen Schauer-Effekten.
 






 
 
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