Nürnberger Nachrichten,  30. Juni 2010
Jens Voskamp
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, München, 28. Juni 2010
Jonas Kaufmann rettet »Tosca« fast im Alleingang
 
Auftakt der Münchner Opernfestspiele: Schlingensief trommelt für Afrika, Bondy beschwört Opernmuseum
Foto: Winfried E. Rabanus
MÜNCHEN - Zwischen Christoph Schlingensiefs Afrika-Collage und »Tosca« als naturalistischer Klamotte aus dem Theatermuseum: Der Auftakt der diesjährigen Münchner Opernfestspiele fiel einigermaßen kurios aus.

Nikolaus Bachler hat es nicht leicht. Nach einer durchwachsenen, seiner zweiten Münchner Spielzeit will er zeigen, dass die Bayerische Staatsoper auch nach Peter Jonas für beides steht: für Interpretations- Luxus und für das Experiment. Nach wie vor erfreut sich das Nationaltheater mit seinem 80-Millionen-Euro-Etat einer beeindruckenden Auslastung. Aber das Interesse bröckelt: Mit Stephan Kimmigs kaltlassendem Container-»Don Giovanni« oder Hans Neuenfels’ zur wüsten Gewaltorgie degradierten »Medea« (wir berichteten) ist selbst bei den Festspielen wenig Staat zu machen. Folglich gibt es noch Karten . . ....


....Eifersucht und Empörung im Übermaß

Die totale ästhetische Kehrtwende vollzieht Bachler dann mit Luc Bondys »Tosca«, die aus New York herbeigeschafft wurde. Die wütenden Proteste, die die schnörkellos runtererzählte Einrichtung in der Met hervorrief, ist nicht nachzuvollziehen. In München gab es – trotz einiger Weltklasse-Leistungen bei den Darstellern und einem ganz subtilen Klangkorsett durch das Staatsorchester unter Fabio Luisi – verhältnismäßig mauen, gleichgültigen Applaus.

Tatsächlich: Wäre nicht ein glänzend disponierter Jonas Kaufmann als Mario Cavaradossi in der Form seines Lebens mit eben jener Träne in der Stimme, die zu dieser Partie einfach dazugehört, mit wunderbaren, verzweifelten Pianissimi und wütend herausgeschleuderten Attacken; hätte nicht Karita Mattila jenen selbstvergessenen Furor drauf, mit dem sie Eifersucht und Empörung ins Übermaß steigert, und verfügte ihr finnischer Landsmann Juha Uusitalo nicht über jene jähzornig-durchtriebene Bass-Dämonie, die seinen Scarpia als blasphemischen Triebmenschen entlarvt, man hielte die mehr arrangierende als agierende Regie für eine Anfängerarbeit aus den 50er Jahren.

Dass die hohe Geistlichkeit zum »Te Deum« in Konzilstärke anrückt und Scarpia sein sexuelles Verlangen sogar an der Madonna abreagiert, wirkte eher unfreiwillig komisch. Meine Vermutung: Nikolaus Bachler wollte seine konservativen Kritiker mit ihren eigenen Mitteln schlagen und beschwor deshalb den überheroischen Operngestus von vorgestern zurück.






 
 
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