Salzburger Nachrichten, 31. März 2010
KARL HARB
Verdi: Messa da Requiem, Salzburg, 30. März 2010
Majestätisch und spirituell 
 
Osterfestspiele. Mariss Jansons führte im dritten Orchesterkonzert der Berliner Philharmoniker Verdis „Messa da Requiem“ auf.
Das kolossale Konzertpensum, das sich die Berliner Philharmoniker für diese Salzburger Osterfestspiele „neben“ der für sich schon gewaltigen „Götterdämmerung“ verordnet haben, nötigt allein physisch Respekt ab. Es wurde – in der ersten Serie – am Dienstag abgeschlossen mit Verdis Totenmesse, der „Messa da Requiem“, die im Gegensatz zu ihrer Popularität letztlich gar nicht so oft im Salzburger Festspielkalender aufgeführt ist. Erst 1970, fünfzig Jahre nach Festspielbeginn, hat Herbert von Karajan eine Aufführung angesetzt, und fortan blieb das Stück hierorts, zu Ostern und im Sommer, seine Domäne, symbolisch auch über seinen Tod 1989 hinaus. In jenem Jahr übernahm noch auf Karajans Wunsch Riccardo Muti die mit den Berliner Philharmonikern geplanten Aufführungen.

Bei Karajan waren es, erinnern wir uns recht, die „theatralischen“ Komponenten, die dem Werk wohl aufgrund seines Schöpfers gern attestiert werden, aber auch die räumlichen Möglichkeiten des Großen Festspielhauses, die die „Größe“ der Interpretationen mitbestimmten. Wenn nun, wie am Dienstag, Mariss Jansons die Führung der Massen der Berliner Orchesters, des Chors des Bayerischen Rundfunks und der vier Solisten übernimmt, hat man sich trotz des Aufwands nicht mit einer pathetisch-bombastischen Sicht zu beschäftigen. Dazu ist Jansons viel zu sehr strukturierender Symphoniker, gleichwohl aber mit einem untrüglichen Sensorium für die inneren Dimensionen und die dramatische Textur des Werks. Selbst in den Effekten der Ferntrompeten des „Dies irae“ bleibt Jansons sozusagen innerhalb des werkimannenten Ausdrucks. Er postiert die Bläser nicht etwa auf dem Balkon, sondern seitlich auf dem Podium, also nah genug am Geschehen und dennoch mit genügend Raum für den stereophonen Effekt.

Die einzelnen solistischen „Nummern“ vornehmlich innerhalb der Sequenz werden nicht ausgestellt, sondern klar und logisch eingebettet in das weite Panorama des sakralen Ausdrucks. Hier zeigt sich dann auch die Qualität des Solistenquartetts, das in Jonas Kaufmanns außerordentlichem Tenor mit seinen unglaublichen dynamischen und technischen Finessen seine Spitzenkraft hat. Das soll aber nicht schmälern, was die exponiert geforderte Sopranistin Krassimira Stoyanova, die stark und markant auftretende Mezzosopranistin Marina Prudenskaja und der profunde und dabei immer weich intonierende Bassist Stephen Milling leisten: eine immer inhaltlich kompetent und genau abgestimmte Leistung. Dies gilt auch für die vielen Ausdrucks- und Sprachfacetten, die den von Peter Dijkstra einstudierten Chor neuerlich als einen der besten dieser Zunft auswiesen.

Jansons’ uneitle Innigkeit, seine souveräne Dispositionsfähigkeit, seine Detailkenntnis und zugleich seine Fähigkeit, große, intensive Bögen zu spannen, machten Verdis Totenmesse auf ihre Art zu einem Erlebnis spiritueller und majestätischer Einkehr – und das gerade nach den Exaltationen, die Simon Rattle in seinen beiden Konzertprogrammen, bei Bach und Ligeti, auch nach außen hin regelrecht „inszenierte“. Hier war Verdi eine pure Botschaft, die den Kern berührte. Standing ovations.






 
 
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