FAZ, 14.10.2010
CHRISTIAN WILDHAGEN 
Schubert: "Die schöne Müllerin, Frankfurt, Alte Oper, 12. Oktober 2010
Diese Müllerin ist treulos
 
Schubert-Beau: Jonas Kaufmann in der Alten Oper

.......

Kaufmann begann erstaunlich verhalten; in den ersten Liedern klingt seine Stimme überraschend dunkel und baritonal grundiert. Das Wandern scheint für diesen Gesellen gerade keine "Lust"zu sein: als ahne er schon hier am Beginn, wohin die Reise führen wird. Während man noch mutmaßt, ob Kaufmann also Fischer-Dieskaus Lösung wählt und eine gezielte narrative Brechung in seine Lesart einbezieht, befreit sich die Stimme, wird unversehens heller und klarer. Bei der "Danksagung an den Bach" klingt die Abmischung mit der Kopfstimme zwar noch etwas instabil, dafür gelingen die Schlüsselverse "O Bächlein meiner Liebe, / Wie bist du heut so stumm" nachgerade magisch in ihrem leuchtenden Pianissimo. Überhaupt sind diese leisen Zauber-Momente die eigentliche Stärke der Interpretation. Wie schmerzlich-betörend tönt etwa die Phrase "Und aus dem tiefen Herzen ruft / Die Liebe Leid und Sorgen" im "Morgengruß" oder der traurig-schöne Strophenreigen des abschließenden Wiegenlieds. Hier zeigt auch der einfühlsame Helmut Deutsch eine besonders klug nuancierte Anschlagskunst. Weniger glücklich wird man dagegen mit exponierten Passagen wie "Dein ist mein Herz" in "Ungeduld" oder "Die geliebte Müllerin ist mein!", die für einen "Lohengrin"-Sänger an der Schwelle zum Heldenfach erstaunlich forciert klingen. Auch wünscht man Kaufmann in Kontrastliedern wie "Der Jäger" noch mehr Mut zum Charakteristischen, ja mitunter sogar - in bewusstem Gegensatz zu seinem oktroyierten Image als Schönsinger - zum Hässlichen. Kaufmanns Interpretation, bereits jetzt erfreulich durchdacht, würde dann noch entscheidend an Glaubwürdigkeit und Authentizität hinzugewinnen.






 
 
  www.jkaufmann.info back top