Tiroler Tageszeitung, 23. Dezember 2010
(jff)
Beethoven: Fidelio, Bayerische Staatsoper, 21. Dezember 2010
Hinter tausend Stäben keine Welt
 
 
München – Fidelio an der Bayerischen Staatsoper: eine herbe Enttäuschung! Eigentlich müsste der Staatsintendant zu Beginn der Aufführung vor den Vorhang treten und folgende Ansage machen: So schlecht wie diese Produktion ist Beethovens Oper nicht! Ärgerlich ist das Ganze nicht nur (aber auch wegen) Calixto Bieito, der sich und das Publikum in nachgerade grotesken Selbstzitaten erschöpft. Die Männer sind gewalttätig, unternehmen ab und an einen (Selbst)Mordversuch. Die Frauen agieren nicht viel besser, sie kriechen mit verschmiertem Lippenstift herum und lüpfen bisweilen ihr Hemdchen. Nun mag man von Bieito ja einiges an Konzepthuberei – oder auch mal gedankliche Flachreliefs – gewohnt sein, immerhin stimmt normalerweise die Personenführung. Hier passt gar nichts zusammen, keine Figur geht einem nahe, nichts berührt wirklich.

Wo Beethoven die Rettung eines Unschuldigen durch seine als Mann verkleidete Ehefrau (und ein Bündel von Machtkonflikten) zwar dramaturgisch problematisch, aber musikdramatisch präzise und wirksam gestaltet, bietet Bieito alberne, uninspirierte Turnübungen. Das Ergebnis ist ein sinnloser, ärgerlicher und überaus zäher Abend!

Leider stimmt auch die musikalische Seite­ nicht. Daniele Gatti hechelt sich grobschlächtig durch die Partitur, überdeckt immer wieder die Sänger, dazu kommen erhebliche technische Mängel in fast allen Instrumentengruppen und eine oft mangelnde Abstimmung mit dem Chor (Einstudierung Sören Eckhoff). Anja Kampe gibt als Fidelio alles, dabei gelegentlich mal zu viel, dann wird es klirrend scharf. Insgesamt gelingen ihr etliche herausragende Momente. Auch Franz-Josef Selig (als Rocco) orgelt sich sehr ordentlich durch die Partie, Wolfgang Koch (als Don Pizarro) steht ihm vokal in nichts nach. Blass jedoch: Laura Tatulescu (Marzelline) hat zu wenig Farben, Jussi Myllys (Jaquino) ist stimmlich äußerst dünn. Dafür gefällt Steven Humes als Minister. Bleibt die vielleicht größte Enttäuschung: Jonas Kaufmann wirkt als Florestan über weite Strecken schlicht überfordert. Ähnlich wie bei seinen inzwischen zahlreichen Auftritten als Lohengrin klingt die Mittellage wunderbar, wohlig warm, zum Dahinschmelzen. Aber der Weg dorthin muss mit gepressten Kantilenen und viel Kehligkeit bezahlt werden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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