Münchner Merkur, 12.06.2009
Markus Thiel
La traviata, München, 9. Juni 2009
 
Unangestrengt kann die Rumänin alle möglichen vokalen Finessen abrufen. Eine bewundernswerte Demonstration. Die Stimme sitzt, gehorcht in jeder Lage, hat eine aparte dunkle Note: Warum also mäkeln? Vielleicht, weil Angela Gheorghiu all dies zu bewusst ist. Weil vieles in ihrem Gesang und in ihrer Darstellung den Charakter des Hergestellten trägt. Man wurde Zeuge, wie sich eine große Solistin (die offenbar mit eigenen Bühnenkleidern angereist war) der Violetta allenfalls von außen nähert, sie weniger empfindet - und anfangs, als zu viel Adrenalindampf im Spiel war, sympathische Nervosität zeigte: Über weite Strecken sang die Diva eine Schwebung zu hoch.

Wesentlich anders gepolt ist da Jonas Kaufmann, der sich - ganz Gentleman - an den Rand spielen ließ. Ob deutsches oder italienisches Fach: Dieser Allround-Tenor erfühlt sofort die "Temperatur" einer Partie. Seine natürliche Präsenz sichert ihm selbst im szenischen Abseits Aufmerksamkeit. An seinen virilen, kraftvoll gespannten Phrasen kann man sich nicht satthören, auf sein angetäuschtes Mezzavoce dagegen verzichten: Pegelt Kaufmann seinen eingedunkelten Tenor auf Lyrisches herunter, wandert der Stimmsitz in Richtung Mandeln.

Dafür hat München jetzt einen Vater Germont, der Verdi einst vorgeschwebt haben muss. Simon Keenlyside gestaltet die Partie ohne Wunschkonzert-Effekte. Eine überlegene, uneitle, stilistisch herausragende Charakterstudie, die -auch wenn der Brite stets flugs hinterm Vorhang verschwand - die größte Ovation einheimste. Am Pult führte Keri-Lynn Wilson vor, dass man sich bei Verdi nicht verzetteln muss. Geradlinig, trocken, mit der passenden Portion Brio klingt ihre "Traviata", auch wenn sie auf eigenwillige Tempo-Wünsche der Stars erst reagieren musste. Eine weitere Zusammenarbeit? Dafür genügte ein Blick auf die Intendantenloge. Neben Nikolaus Bachler beklatschte Keri-Lynn Wilsons Mann das Dirigat - es war Met-Chef Peter Gelb. 






 
 
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