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Opernglas, Mai 2009 |
Th. Baltensweiler |
Puccini: Tosca, Zürich, 29. März 2009
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Tosca
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Erklärungsbedarf herrschte um die Zürcher »Tosca«-Premiere. Der ursprünglich
vorgesehene Michael Tilson Thomas hatte im Januar sein Dirigat zurückgegeben
mit dem verschwommenen Hinweis auf „die veränderte Situation der Orchester
in Amerika“. „Wie durch ein Wunder“ (O-Ton Opernhaus), gelang es daraufhin,
Christoph von Dohnanyi für die Premiere zu verpflichten, die aus
terminlichen Gründen vorverlegt werden musste. Kurz vor der Hauptprobe legte
Dohnanyi seinerseits den Taktstock nieder, und wieder musste Ersatz gesucht
werden, der schließlich in Paolo Carignani gefunden wurde. War die erste
Umbesetzung förmlich hinausposaunt worden, so wurde nun in aller Stille
einfach der Name des Dirigenten ausgewechselt. In der örtlichen Presse
sprach Intendant Alexander Pereira von einer Viruserkrankung des Dirigenten
und von dessen Gewohnheit, auch die Details der vokalen Interpretation
mitzubestimmen, wozu er sich nicht hinreichend im Stande gesehen habe.
Reichlich geheimnisvoll das Ganze — und ein Geheimnis wurde auch darum
gemacht, dass der Regisseur Robert Carsen »Tosca« Mitte der 1990er-Jahre
schon in Antwerpen inszeniert hatte. Diese Produktion war dann im Jahre 2000
von Hamburg und 2003 von Barcelona übernommen worden. Wer die Bilder der
Zürcher »Tosca« mit denen aus der Flämischen Oper vergleicht, wird rasch
feststellen, dass es sich um dieselbe Produktion handeln muss. Weder im
Spielplanheft noch im Programm erfährt man dies. Fast hätte es noch ein
drittes Geheimnis gegeben. Emily Magee hatte sich laut Saisonprogramm
„einmal mehr ein wichtiges Rollendebüt für Zürich reserviert“. Freilich war
die Rollendebütantin bereits für Januar 2009 als Tosca an der Semperoper
Dresden angekündigt gewesen. Dort musste sie aber krankheitshalber absagen,
sodass es zumindest bezüglich Debütankündigung in diesen Spalten nichts
auszuplaudern gibt.
Weiterzusagen gilt es dagegen, dass Emily Magee eine ausgezeichnete Tosca
ist. Hatte sie sich im ersten Akt noch etwas zurückgehalten — vielleicht,
weil die Mittellage vergleichsweise schmal ist —‚ so blühte ihre Stimme in
der zweiten Hälfte des Abends auf und überzeugte mit üppigem Legato und
unforcierter Höhe, die dank eines enormen Obertonreichtums warmen Glanz
entfaltete. Wie bei allen ihren Zürcher Rollendebüts war Magee nicht
anzumerken, dass sie ihre Partie zum ersten Mal sang. Darstellerisch war ihr
von Carsen eine undankbare Aufgabe zugedacht: Die Konzeption der Regie
basierte darauf, dass sich für die Sängerin Floria Tosca die Grenzen von
Leben und Theater verwischen — dass die Protagonistin auch im wirklichen
Leben eine Rolle spielt. Entsprechend musste Magee mit überbordender
Theatralik agieren, wobei sie in Outfit und Posen Maria CaIlas zu gleichen
hatte. Eine Sympathieträgerin, an deren Schicksal man Anteil nimmt, wird die
Figur auf diese Weise nicht.
Schauplatz des Geschehens ist bei Carsen und seinem Ausstatter Anthony Ward
ein Theater. Der erste Akt spielt vor einem roten Samtvorhang im
Zuschauerraum, der zweite hinter dem eisernen Vorhang und der dritte auf
offener Bühne. Problematisch sind die Abweichungen vom Libretto vor allem im
ersten Akt, wo realistische Vorgaben gemacht werden, die für die Dramaturgie
des Werks bestimmend sind. Der Realismus der originalen Szenenanweisungen
wird durch einen Realismus gegenläufiger Art ersetzt und bringt so die Logik
der Handlung durcheinander. Im zweiten und dritten Akt kommt aber zumindest
Thriller-Spannung auf, nicht zuletzt dank der ingeniösen Lichtführung von
Davy Cunningham, aber auch weil die zunehmende Reduktion der
ausstatterischen Elemente die Konzentration auf die drei Hauptpersonen
richtet.
Vor allem Jonas Kaufmann als Cavaradossi und Thomas Hampson als Scarpia
bewirkten, dass man vieles in dieser »Tosca« neu hörte, denn beide gehen
ihre Partien anders an, als es Interpreten tun, die primär das italienische
Fach pflegen. Kaufmann entwickelte Strahlkraft im Forte, wie man das auch
von einem „Italiener“ erwarten durfte, er bot darüber hinaus aber eine
Nuanciertheit des Vortrags, eine fast meditative Verhaltenheit, wie man sie
von typischen Fachvertretern selten erlebt. „ E lucevan le stelle‘
beispielsweise gestaltete er mit elegisch-verschattetem Ton als eine Art
Traumerzählung. Was Kaufmann sicher noch zuwachsen wird, wenn er seine
Tätigkeit in diesem Repertoire fortsetzt, das ist die Fähigkeit, die
Ausdrucksbereiche mit jenem stimmlichen Fluss zu verbinden, der den Eindruck
spontaner vokaler Expression vermittelt.
Thomas Hampson war ein ungewohnt hell timbrierter Scarpia. Obschon die
Tongebung flüssiger wirkte und die Konsonanten weniger in deutscher Manier
hervorgehoben wurden als bei seinem Germont, war bei ihm insofern ein
Abstrich zu machen, als sein nobles Organ zuweilen etwas matter erschien als
ehedem. Die kleineren Partien waren gut besetzt, der Chor (Leitung: Ernst
Raffelsberger) erwies sich als bestens vorbereitet, desgleichen das
Orchester, das gleich mit zwei Dirigenten geprobt hatte, fast drei Wochen
mit Dohnanyi und dann mit Paolo Carignani, der die Premiere mit sicherer
Hand koordinierte. So präzise, so klangvoll spielt das Zürcher Orchester nur
bei besonderen Gelegenheiten. Am Schluss gab es Jubel für alle Beteiligten. |
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