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Die Presse, 31. August 2009 |
WALTER WEIDRINGER |
Liedermatinée, Salzburg, 30. August 2009
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Salzburger Festspiele: Ein frischer Tenorstar voll
Souveränität
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Jonas Kaufmann triumphierte
mit Impetus und Versenkung über alles Handygebimmel. |
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Da
gingen die Emotionen ungeniert hoch: Während auf dem Platz neben mir ein
Herr bei Richard Strauss' „Morgen“ seine Tränen der Rührung nicht
zurückhalten konnte und wollte, klingelte plötzlich zum dritten Mal im
zweiten Teil dieser Liedermatinee das nämliche Handy – eine unerhörte
Missachtung von Kunst, Interpreten und Publikum, die völlige Überforderung
in der Handhabung eigenen Geräts, möglicherweise beides.
Jedenfalls wehte im erneuten schmerzverzerrten Aufstöhnen der Menge bereits
eine Prise von Lynchjustizstimmung durch die Luft des Hauses für Mozart –
kein Wunder bei einem solchen Attentat. Was aber gelang Jonas Kaufmann in
diesen bangen Sekunden auf der Kippe zwischen Tumult und Versenkung? Sich
nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, die Spannung zu halten und die
Aufmerksamkeit des Auditoriums im Nu wieder ganz auf sich zu ziehen.
Nach dem Lied spontan aufbrandender Applaus, der die zerstörerischen
Energien ableitete, ein paar sympathisch-ironische Worte des Tenorstars –
und die Welt war wieder heil. Auf jeden Fall für die zahlreichen Fans, die
auch in Salzburg lautstark ihre Begeisterung bekundeten für diesen auf
internationalen Bühnen im italienischen, französischen und deutschen Fach
heftig nachgefragten Sänger, der in Met und Wiener Staatsoper, Covent Garden
und der Scala innerhalb weniger Jahre zur fixen Größe geworden ist. Nach
seinem Lohengrin-Debüt in München wird er im nächsten Sommer auch in
Bayreuth als Schwanenritter zu hören sein. Kaufmann, der lang ersehnte,
nicht zuletzt auch gut aussehende Retter an allen Fronten also? Nicht ganz.
Skeptisch gespitzte Ohren nicht enttäuscht
Seine Stimme polarisiert die Musikfreunde der Welt durchaus – ein Phänomen,
das er bekanntlich mit etlichen Tenorkollegen aus Vergangenheit und
Gegenwart teilt. Finden die einen das baritonale Timbre und die sichere Höhe
des Münchners hinreißend, vermissen die anderen eine reine Tongebung und
stoßen sich am zuweilen kehligen Klang. Doch auch wenn man ihm mit skeptisch
gespitzten Ohren lauscht, rückt die Kontroverse irgendwann in den
Hintergrund – weil da nämlich ein ernst zu nehmender Interpret am Werk ist,
der mit seinen spezifischen Mitteln stets den richtigen Ausdruck zu treffen
weiß.
Mochten Liszts drei Petrarca-Sonette zunächst der ungeliebten
Vormittagsstunde wegen noch etwas unausgeglichen wirken, stand ihm dann bei
Brittens Michelangelo Sonnets bereits eine imponierende Palette an Nuancen
zwischen heldischem Aplomb und wie geflüsterter Intimität zur Verfügung.
Dramatische Wendigkeit und weit gesponnene Phrasen stellte Kaufmann, im
Verein mit dem treuen dienstbaren Geist Helmut Deutsch am Klavier, immer
wieder in den Dienst seines Vorhabens, präzise Stimmungsbilder zu malen: Bei
Britten, der da seine junge, unsichere, noch mit nagenden Zweifeln
durchsetzte Liebe zu Peter Pears komponiert hat, und nach der Pause bei
Richard Strauss – in der ganz konzentrierten „Freundlichen Vision“, im durch
Umstellung der Lieder von op. 27 entstehenden lyrischen Mittelteil aus
„Ruhe, meine Seele!“ und „Morgen“. Voll lächelnder Souveränität dann die
Draufgaben: „Nichts“ op. 10/2, „Ich trage meine Minne“ und zuletzt „Wie
sollten wir geheim sie halten“ op. 19/4. Die Seligkeit des Publikums war da
längst kein Geheimnis mehr. |
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