Die Presse, 27. April 2009
WALTER WEIDRINGER
Massenet: Manon, Wien, 26. April 2009
Wiener Staatsoper: Liebling der Plattenindustrie
Der Tenorstar Jonas Kaufmann sang in Massenets „Manon“: Sein Des Grieux klang nicht perfekt, aber interessant.

Dem ausgiebigen Jubel der Fans zum Trotz: Zwingend geriet das Wiener Rollendebüt von Jonas Kaufmann als Des Grieux nicht. In einer Partie, die so viel geschmeidige Voix mixte erfordert, die souveräne Mischung zwischen Brust- und Kopfstimme also, welche dem blutjung-unerfahrenen, aber eleganten Chevalier erst sein vokales Adelsprädikat verlieh – in einer solchen Partie stellt sich nämlich doch rasch heraus, dass der 1969 in München geborene Tenor-Tausendsassa über kein so großes technisch-stilistisches Rüstzeug verfügt, wie es wünschenswert und notwendig wäre

Und das, wo doch diesem neuen Liebling der Plattenindustrie und ein bisserl auch der Hochglanzmagazine zwischen Tamino und Don José, zwischen Oberon und Pinkerton angeblich nichts fremd zu sein scheint. Dunkler, noch baritonaler als sein ins Trudeln geratener Kollege Rolando Villazón klingt Kaufmann, an manchen Stellen strahlender, an anderen wiederum kehliger: eine attraktive Stimme, die jedoch nicht immer ganz im Lot zu sein scheint, auch wenn er sie intonationssicher und mit untadeliger Phrasierung einzusetzen weiß. Wenn sich Kaufmann in der Traumarie des zweiten Aktes durchgehend um ruhiges Piano bemüht, verfehlt dies seine Wirkung nicht – obwohl es vor allem mager tönt statt, wie es sollte, rund und sanft. So ist es wohl kein Zufall, dass Kaufmann erst jenseits solch heikler Stellen ganz zu sich selbst findet und auch klanglich wie befreit wirkt, wenn er richtig loslegen kann: nach „Ah! fuyez, douce image“ im St.-Sulpice-Bild nämlich.

Das macht neugierig auf seinen Cavaradossi, mit dem er im Mai in Wien gastiert. Den Rang des interessantesten Künstlers an diesem Abend machte ihm dennoch niemand streitig, schon gar nicht Norah Amsellem, die als Manon weder jugendlich frisch noch betörend oder gar raffiniert klang, sondern mit flackernd-unruhiger Tongebung und bemühter Darstellung mehr wie eine Einspringerin als eine Originalbesetzung wirkte: Andrei Serbans passable Inszenierung ist wohl allzu deutlich auf Netrebko zugeschnitten. Dafür war rundherum ein weitgehend gutes Ensemble nebst Chor am Werk, angeführt vom würdigen Dan Paul Dumitrescu als Comte Des Grieux, Markus Eiches sicherem Lescaut und dem schleimigen Brétigny von Clemens Unterreiner. Farbig und frisch tönte es aus dem Orchestergraben – nur schade, dass unter dem spanischen Dirigenten Miguel Gomez-Martinez das Zusammenspiel immer wieder unnötigerweise wackelte.






 
 
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