HNA, 13.7.2009
Von Andreas Günther
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
Poetischer Brandstifter der Oper
 
Der Traumtenor Jonas Kaufmann macht Wagners ′Lohengrin′ in München zum Publikumsrenner

MÜNCHEN. Ein wundervoller Moment an der Bayerischen Staatsoper: Lohengrin bleibt einsam in seinem neuen Kleinbürgerhaus zurück, schleppt sich in das Kinderzimmer, holt die Wiege herab, stellt sie auf das Ehebett und setzt alles mit Benzin und Streichholz in Brand. Der Traum vom Familienleben geht in Flammen auf.

Es sind diese poetischen Momente, die ein neues Licht auf Wagners romantischste Oper werfen. Im Wortsinn: Tausendfach ist Lohengrin in magischem Licht mit oder ohne Schwan ans Ufer der Schelde geschwommen. In der Münchner Inszenierung von Richard Jones tritt er einfach und abseits aller szenischen Mystik aus der rechten Seitengasse auf die Bühne. Kein Wunder, keine märchenhafte Unschärfe. Nur ein junger Mann im blauen T-Shirt. Das Konzept geht auf, weil Jonas Kaufmann dieser Lohengrin ist, jung, attraktiv, eine Ausnahmegestalt unter den Wagner-Tenören. Sein Tenor wirkt erdgebunden, viel Lunge, viel Körper, die Männlichkeit eines Baritons kombiniert mit hoher Strahlkraft.

Kein Debüt hat im Vorfeld so viel Aufmerksamkeit erregt, wie Kaufmanns Ankunft an der Staatsoper. Der 40-Jährige wird als Gottgesandter des deutschen Tenor-Fachs gehandelt - und vermarktet. Die Vorstellungen während der Festspiele sind ausverkauft, lang die Warteschlangen für die Wiederaufnahme im Oktober.


Das Publikum nahm Jones' Inszenierung nicht kalt hin. Nach jedem Akt bekämpften sich die Lager der Bravo- und Buh-Rufer. Was hatte der britische Regisseur verbrochen? Nichts. Seine Arbeit ist reich, punktgenau und handwerklich auf höchstem Niveau. Jones verwehrt die Unschärfe, die süße Watte eines Musik-Märchens. Alles ist konkret an diesem "Lohengrin".

Auch mit dem letzten Bild ist er seinem Regiekonzept verpflichtet: Die Oper endet kurz vor dem kollektiven Selbstmord - der Held reist ab, das Familienhaus ist abgebrannt, Pistolen werden gezückt, entsichert und in den Rachen gesteckt. Eine Provokation, die viele Buhs einstecken musste.

Sonnenschein dagegen für die musikalische Macht unter Kent Nagano. Der Chef des Hauses lotet die Höhepunkte aus. Zu keinem Zeitpunkt wird verzärtelt, der allmächtige Viervierteltakt treibt den Motor an. Unter den Stimmen gibt es Zauber. Das Durchschnittsalter der Sänger liegt unter 40. Wer diesen Lohengrin erlebt, wird nie mehr über die Krise des Wagner-Gesangs faseln.






 
 
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