Neue Westfälische, 09. Juli 2009
VON MCIHAEL BEUGHOLD
Wagner: Lohengrin, München, 5. Juli 2009
Trautes Heim, Glück allein
 
Tenor Jonas Kaufmann triumphiert in Wagners "Lohengrin" bei den Münchner Opernfestspielen
Foto: W. Hösl
München. Elsa hat einen Traum, doch nicht vom Gralsritter mit Schwert und Schwan. Nein, im neuen "Lohengrin" bei den Münchner Opernfestspielen träumt sie zielstrebig vom schmucken Eigenheim. Bereits zu den Sphärenklängen des Vorspiels gewahrt man sie mit Pionier-Latzhose und Zöpfen am Reißbrett zeichnen.

Bald kurvt sie mit Ziegelsteinen durch die unter Orwellschen Teleaugen versammelte Clubblazer-Menge und beginnt unberührt vom Brudermordvorwurf und Scheiterhaufen zu mauern. Beistand naht: Der trägt hier Silberturnschuh, ein himmelblaues T-Shirt und einen echten Schwan wie ein Baby auf dem Arm. Nach Zweikampf, Liebeserklärung und Frageverbot wird dann gemeinsam geschafft am trauten Heim, Glück zu zwein.

Dem Zuschauer schwant Ödes, und tatsächlich ziehen Regisseur Richard Jones und Ausstatter Ultz die Ein-Bild-Metapher strikt durch und mit Lohengrin in Zimmermannskluft den Häuslebau hoch. Die heiklen Facetten und offenen Fragen der Wagner-Oper, alles Mystische, Romantische, Deutschnationale, Gesellschaftspolitische rund ums Schwanenritter-Wunder, entsorgen sie im liebenswert Privaten.

Was bleibt, ist eine traurige Geschichte vom erträumten kleinen Familienglück: ein bisschen wie "Bizarr und Zimmermann", drum herum oft arg roh verputzt, aber immer ernst genommen. Zwischen Einzugsparty zu Wagners in Blumen gestecktem "Wahnfried"-Sinnspruch und Brautgemach streift die in Grund und Boden gebuhte Regie sogar anrührend subtil die Sterne. Das vorprogrammierte zweisame Scheitern besiegelt der Titelheld mit Benzin über der selbst gezimmerten Wiege und Abfackeln des Häuschens.

Zum Glück wurde das Publikum musikalisch festspielwürdig entschädigt. Gut, leicht prosaisch und bei aller Luxusklangschönheit auch mal lauthals und klappernd ging es unter Kent Naganos Stabführung zu. Ob der Abendform geschuldet oder aufs menschliche Maß der Inszenierung abgestimmt, wäre die Frage. Das Münchner Sängeraufgebot jedenfalls war eine unverbrauchte, passgenaue Pracht: vom noblen Christof Fischesser (König Heinrich) über den markanten Michael Koch (Telramund) und Michaela Schusters tongeschärftes blondes Gift (Ortrud) bis zur überragenden Anja Harteros als dramatisch-sinnlich beseelte Elsa.

Alle Augen und Ohren waren hochgespannt auf den deutschen Shooting-Startenor Jonas Kaufmann und sein Lohengrin-Debüt gerichtet. Es glückte zur glaubwürdig erfüllten Freizeit-Optik in breit strömender italienischer Klangfülle und Leuchtkraft schier Domingoesk. Kleinere Schluchzer und gaumige Momente trübten den so männlich zupackenden wie einfühlsamen Wagner-Hochgesang kaum. Die betörend piano-verhalten, wie ein trauriges Schubert-Lied angestimmte Gralserzählung war – mehr noch als auf der aktuellen CD mit deutschen Arien – sein singgestalterisches Meisterstück. Die Bayreuther Neu(enfels)produktion 2010 kann kommen.






 
 
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