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Der Neue Merker, 8. Dezember 2009 |
Damian Kern |
Bizét, Carmen, Mailand, 7. Dezember 2009
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Mailand Scala, Bizet: CARMEN - Saisoneröffnung am
7.12.2009 |
Traditionell am 7. Dezember eröffnet die Scala die neue Saison, diesmal
mit dem Klassiker Carmen. |
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EMMA DANTE inszeniert und stattet klassisch reduziert aus. Die italienische
Schauspielregisseurin gibt ihr Operndebut. Gute Regieeinfälle mischen sich
mit Belanglosem. Dunkel und düster kommt diese Carmen daher, ist in dieser
Sicht eher eine sizilianische Bauernehrentragödie als eine französische
Opera comique. Die Regie hat wenig Geniales, wenngleich die Dialoge gut
gearbeitet sind, und die Beziehungen der Personen untereinander klar und
plausibel werden. Ganz selten wird aber der Kraft des Dramas ganz vertraut
und Sekundärszenen bevölkern überflüssig die Szene.
Gesungen wird auf hohem Niveau, wobei einer, JONAS KAUFMANN als Don Jose,
alle anderen um Meilen überragt. In seinem Tenor mischen sich mühelose
Kraft, sensible Musikalität, bronzener Glanz, makellose Gesangstechnik und
hohe Phrasierungskunst zu einer selten erreichten Einheit. Dazu spielt er
mit Emphase und gibt sich mit bestem Französisch voll in die Rolle des
unterlegenen Liebhabers. Der Rummel um ihn mag eine Sache sein, seine
außerordentliche Qualität erheben diesen Ausnahmesänger über jeden Zweifel.
Kraftvoll und ebenfalls sehr stattlich kommt auch ERWIN SCHROTTs Escamillo
daher. Sein Bassbariton besitzt eine unbestechliche Höhe, jedoch geschmeidig
wirkt er mehr im Spiel. Etwas roh schießt er im Auftrittslied die Töne ins
große Rund, kommt aber mit der heiklen Partie ansonsten souverän zurecht.
Die anderen Herren ordnen sich dezent unter: GABOR BRETZ als Zuniga klingt
vornehm, MATTHIAS HAUSMANNs Morales defensiv, FRANCIS DUDZIAKs Dancairo
verschlagen, wenngleich in die Jahre gekommen und der Remmendado von
RODOLPHE BRIAND buffonesk stimmig.
ANITA RACHVELISHVILI singt eine unanfechtbar klangschöne Carmen. Auch bemüht
sie sich um natürliche Erotik. Als Urweib gelingt ihr dies auch
stellenweise, wenn ihre Üppigkeit nicht durch ungeschickte Kleidung
bloßgestellt wird. Aus musikalischer Sicht ist die Rollendebütantin in jedem
Fall eine sehr gute Wahl. Die Michaela von ADRIANA DAMATO gibt sich sehr
hausmütterlich; ihre dramatische Sopranstimme ist eine sehr heroische
Besetzung für diese lyrische Paradepartie. So ist eher der Ausbruch ihre
Farbe als inniges Zartgefühl. Sehr sympathisch und frisch klingt MICHELE
LOSIERs Frasquita, glutvoll und brillant ADRIANA KUCEROVAs Mercedes.
DANIEL BARENBOIM ist ein Altmeister des Musizierens. Ohne neue Deutung
schält er mit minimalem Aufwand klug Themen und Melodien heraus. Das
Scala-Orchester folgt ihm dabei aufmerksam und mit federndem französischem
Klang. Herauszuheben ist das großartige Flöte –Harfe Duett im Vorspiel zum
dritten Bild und der emotionale Streicherklang. Der zahlenmächtige Chor tönt
groß und vollstimmig. Der Streitchor (verstärkt mit sehr engagierten Extra-
Darstellerinnen) wird intensiv gespielt, wie überhaupt die Massenszenen auch
der Regie auffallend gut gelingen.
Das vornehme Mailänder Publikum reagiert auf die Regie kühl bis ablehnend,
applaudiert der Musik und den Sängern jedoch uneingeschränkt zu. |
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