Die Welt
Von Jörg von Uthmann
Beethoven: Fidelio, Paris, Opéra Garnier, 25. November 2008
Mosebach schrieb zwanglos 
Mosebach hat sich keinen Zwang angetan. Marzelline darf sich über die haarigen Männer auslassen, von denen sich der glatte Fidelio so angenehm unterscheidet. Jacquino, ihr unglücklicher Verehrer, brüllt, nicht auf die Liebe der Braut komme es an, sondern auf das Einverständnis des Schwiegervaters: "Die Ehe ist eine Firma!"

Rocco klagt über die Schattenseiten seines Berufs, und Pizarro betont, die Beseitigung Florestans geschehe im Auftrag des Ministers. (Auf diese eigenwillige Deutung verfiel Mosebach, da Jean-Nicolas Bouilly, der Verfasser des der Oper zugrunde liegenden Theaterstücks, während der Revolution als Richter einige politische Todesurteile fällte.) Ist die Geschichte durch die Aktualisierung überzeugender geworden? Nein. Die neuen Dialoge sind genauso platt wie die alten - ohne deren schuldmindernde Patina.

Angela Denoke in der Titelrolle ist schlank genug, um als Mann durchzugehen. Aber ihre Stimme ist zu schmal: Wenn es hochdramatisch wird, geht der Fokus verloren; Vokale verfärben sich, die Intonation gerät ins Schleudern. Der Held des Abends ist Jonas Kaufmann: Er bewältigt Florestans lyrische Partien ebenso mühelos wie seine ekstatischen Ausbrüche. Franz-Josef Selig ist ein sonorer Rocco, Julia Kleiter eine etwas blasse Marzelline, Alan Held ein schneidender Pizarro. Ales Brisceins exotisches Deutsch zieht Jacquinos Reflexionen über die Ehe ins unfreiwillig Komische.



 






 
 
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