Vorarlberger Nachrichten
Christa Dietrich-Rudas
Bizét: Carmen, Zürich, 28. Juni 2008
Der unwiderstehliche Don José
Neben dem Schubertiade-Liebling Jonas Kaufmann hätte es jede Carmen schwer.
Zürich (VN) "Er kam, sang und siegte", hieß es jüngst nach seinem Debüt-Liederabend in Schwarzenberg. Wann ein gefeierter Opernstar so weit ist, um ihn einem überaus kompetenten Liederabend-Publikum "auszuliefern", das weiß Schubertiade-Chef Gerd Nachbauer genau (*). Alexander Pereira, Chef der Oper in Zürich, profitierte nun von den Vorzügen des Münchners Jonas Kaufmann bei der "Carmen"-Premiere am Samstag-abend in Zürich. (*kleine Anmerkung: der erste Auftritt bei der Schubertiade war schon vor ein paar Jahren geplant, JK musste damals wegen Krankheit absagen.)

Tausende am Jubeln
Drinnen im Haus ein jubelndes Festspiel-Publikum, draußen auf dem Bellevue-Platz Tausende, die in den Public Viewing-Bereich strömten, um einmal nicht Kicker, sondern Sänger bei der Übertragung der Premiere auf Großleinwand zu beklatschen.

Zürich hatte ein Fest. Und das einmal nicht, weil Regisseur Matthias Hartmann (der demnächst das Wiener Burgtheater übernimmt) gar eine aufsehenerregende Deutung der bekannten Bizet-Oper gezeigt hat, sondern auf Grund der Stimmen. Hartmann und sein Ausstatter Volker Hintermeier gaben ihnen lediglich Raum.

Vorbei mit Biederkeit
Kahl und rund das Podium, dahinter ebenso rund der Mond in der nächtlichen Schmuggler-Szene. Eine Stierkampfarena hat niemand vermisst, aber angesichts der Tatsache, dass hier ein Mann, der verlassen wird, seine Geliebte ersticht (das Thema ist leider so aktuell wie eh und jeh) hätte einem Regie-Kaliber etwas einfallen können. Einmal darf an der Bühnenrampe ein Hund mit dem Schwanz wedeln, einmal liegen dort Schmuggler-Kisten, am Ende ein Stierschädel. Den Rest der Optik besorgen die Sänger und da ist bekanntlich viel zu tun. Vesselina Kasarova begegnet Carmen-Klischees mit wohltuend wenig Hüfteinsatz, sicherer Höhe und ungemein dunklem Timbre. Jonas Kaufmann nimmt dem Don José jegliche Biederkeit, die der Figur des Soldaten seit jeher anhaftet. Ein Pech für Nebenbuhler Escamillo, obwohl Michele Pertusi der alle Register spielenden, makellosen Stimme von Kaufmann zumindest Schönklang entgegenhalten kann. Reizvoll die Micaela der Isabel Rey und ein Dirigat von Franz Welser-Möst, der dem Orchester jegliches Bizet-Stampfen abgewöhnt. Große Oper für ein Publikum, das auch auf die feinen, kleinen Töne scharf ist - und alle bekommt.
Foto: Susanne Schwiertz






 
 
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