Art.TV, 19.02.2007
Kaspar Sannemann
Mozart: Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007, besprochene Aufführung 23.2.2007
ZAUBERFLÖTE    
Steif und verwirrt stehen Pamina und Tamino im Hochzeitsgewand während des Vorspiels vor einer weissen Leinwand. Während die Musik sich zu den Schlussakkorden der Ouvertüre aufbäumt, fallen sie sich leidenschaftlich in die Arme und knallen durch die zur Blutdruck-Messtabelle gewordene Leinwand. Und nun erfahren wir, wie alles anfing…

Wer eine märchenhafte, mit Orientalismen und humanitärem Gesäusel durchsetzte „Zauberflöte“ erwartet, wird enttäuscht sein. Weder das Märchenhafte noch die offene und versteckte Freimaurerideologie interessieren das Inszenierungsteam unter der Leitung von Martin Kusej. Er entführt uns in ein steriles, weiss gekacheltes Labyrinth, die Drehbühne von Rolf Glittenberg ist ständig in Bewegung, öffnet neue Räume und lässt die Darsteller doch verwirrt und ausweglos zurück. Alles ist in Schwarz-Weiss gehalten, nur Sarastro und seinen Sektenanhängern - eine in Abendroben agierende Schickimicki Gesellschaft -, sowie der Königin der Nacht mit ihren drei in wortwörtlich blinder Ergebenheit dienenden Damen, sind Farben erlaubt. Doch sie alle sind Teil von Sarastros grausamen Laborversuchen mit menschlichen Gefühlen. Das alles ist stringent und spannend umgesetzt, auch mit viel Humor durchtränkt, ohne je betulich oder platt zu wirken. Es wäre über viele geniale Regieeinfälle zu berichten, vom zweiten Auftritt der Königin der Nacht, eines fast schon zur Wasserleiche blass geschminkten Vamps, der aus der (Gefühls-)Kälte kommt (siehe Bild), bis zu der klug gelösten Sprecherszene. Gabriel Bermúdez als Sprecher steht wie ein schwules Model mit Kraftraum gestähltem, nacktem Oberkörper bei der Morgentoilette, als er von Tamino überrascht wird. So machen auch seine frauenfeindlichen Sprüche Sinn („Ein Weib tut wenig, plaudert viel“). Die Wasser- und Feuerprüfungen sind szenisch überzeugend gelöst. Pamina und Tamino müssen mit brennendem Feuerzeug durch einen benzingetränkten Raum schreiten und werden anschliessend in einer verschlossenen Luxuskarosse ins Wasser geworfen, aus der sie sich in letzter Minute befreien können. (Video-Sequenz in bester Hollywood Qualität…) Kein Wunder, dass beide nach diesen Anstrengungen bewusstlos auf OP Tischen hereingefahren werden und sich erst zu den Schlusstakten des Chores wieder erheben.

Gesungen und gespielt wird dieses Treiben von allen Beteiligten auf höchstem Niveau.
Jonas Kaufmann, als Tamino kurzfristig eingesprungen, verkörpert den Prinzen auf ideale Weise. Männlich, schön, mit kräftiger, gut sitzender Stimme, die sich auch vor Ausbrüchen fast wagnerschen Ausmasses nicht scheut.(„Erzittre feiger Bösewicht…“) Dieser Tamino hat Humor, unglaublichen Charme und wirkt Gott sei Dank nie larmoyant. Seine Pamina ist Julia Kleiter, für mich DER Star des Abends. Ihre tadellos geführte, glasklare Sopranstimme ist ein grosses Versprechen für die Zukunft, ihre grosse g-moll Arie sicherlich der Höhepunkt des Abends. Das „niedere“ Paar Papageno-Papagena ist durch Ruben Drole und Eva Liebau ebenfalls glänzend besetzt. Drole läuft in seiner grossen Szene („Ein Mädchen oder Weibchen..“) zu komödiantischer Hochform auf, die Figur gewinnt, auch durch die Mundart-Einschübe, beinahe shakespearesches Format. Elena Mosuc singt die Koloraturen der nächtlichen Königen bestechend sauber. Bei ihr sind sie nicht einfach Zierwerk, nein sie versteht es, ihren beiden grossen Arien durch kluge Akzente tiefere Bedeutung zu verleihen. Der Sarastro von Bass-Star Matti Salminen überzeugt durch rabenschwarze Tiefe, vor allem im ersten Akt. Besonders hervorzuheben sind auch die wunderschön singenden drei Damen (Trattnigg, Welschenbach, Peetz) und die drei Knaben der Zürcher Sängerknaben.

Die von Nikolaus Harnoncourt gewählten Tempi geben oft zu Diskussionen Anlass. Für mich waren sie stimmig. Nur schon die Gestaltung der bekannten Ouvertüre liess aufhorchen. Welch ein Farbenreichtum, welch wunderschöne Nebenlinien wurden da hörbar. Er trägt die Sängerinnen und Sänger auf Händen, atmet (und spricht still) mit. Kein Wunder, dass sie alle zu solchen Höchstleistungen fähig waren.

Fazit:!Eine der spannendsten, aufregendsten und unterhaltsamsten „Zauberflöten“-Inszenierungen der letzten Jahre. Musikalisch vom Feinsten!






 
 
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