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Die Welt, 18.02.2007
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Manuel Brug |
Mozart: Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007
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Pamina und Tamino im Führerbunker
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Das Team Nikolaus Harnoncourt und Martin
Kusej seziert in Zürich die „Zauberflöte“. Mozarts Oper muss ja mttlerweile
unbedingt problematisiert werden. Deshalb gibt es in den heil'gen Hallen
überall Verdrängung, Neurosen und Psychosen zu sehen. |
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Alles wird gut. Das ist diesmal keine
TV-Plattheit, sondern Opernwahrheit. Noch bevor in Zürich die ersten ruppig
aufgerauten und – wie immer unter Nikolaus Harnoncourt – mal stoppenden, mal
davonrennenden Ouvertürentakte erklungen sind, sehen wir schon: Pamina und
Tamino sind ein Brautpaar geworden. Ein wenig steif, ein wenig zwanghaft
steht es wie Figuren auf der Torte da. Wenn sie sich küssen, fallen sie
durch die Rückwand, und anschließend erleben wir – als Flashback – mit ihnen
den tollen, vor allem traumatischen Tag vor der Hochzeit. Der gar nicht auf
Harmonie bedachte Weddingplaner heißt Martin Kusej.
„Die Zauerflöte“ darf längst nicht mehr lustig und scheinbar harmlos sein,
sie muss finster problematisiert werden. Das scheint ehernes
Regietheatergesetz. Kusej, inzwischen in der Oper gefährlich nahe an der
Routine, unterwirft sich willfähig. Hier sind alle Traumatisierte,
Unterdrückte, ihrer selbst nicht Bewusste. Die Priesterschaft – ein Haufen
autoritärer, aber hohler Funktionäre; die Königin der Nacht –eine schwer
dysfunktionale Mutter; Tamino – ein zaudernder, alles befolgender
Kompromissler. Nur die lautere Pamino und das (meist) verwundete Naturwesen
Papageno kommen einigermaßen unbeschadet durch das so schwer mit Psychosen
beladene Stück.
So macht es auch Martin Kusej. Freimaurerei, Ägypten und Aufklärung, das
interessiert ihn nicht. Auch bei ihm geht es nur um Verdrängung und Neurose.
Das zeigt gleich das erste Bild: In einer fensterlos kahlen Kachelkammer mit
Stahltüren muss sich Tamino einer Plastikschlange erwehren. Um ihn herum
liegen Leute, ebenfalls von solchen Horrorwürmern bedroht. Kusej liebt es,
seine Visionen mit solchen Statisten-Arrangements zu bevölkern. Das
unwirtliche Haus des Sarastro, das Rolf Glittenberg stetig auf der Drehbühne
vorüber gleiten lässt, hat viele irrgartenartige Wohnungen.
Eine beherbergt einen Privatzoo. Da sitzt Papageno, Ruben Drole singt ihn
sympathisch als noch unausgereiften Naturburschen, mit gestutzten Federn in
einer Voliere. Der Vogelfänger als Opfer – von Anfang an; auch wenn er mit
der zunächst als ältliche Automechanikerin mit Spritzpistole auftretenden
Papagena (nett: Eva Liebau) am Ende wie Heidi und Geißenpeter ganz viele
Kinderlein machen darf.
In anderen Abteilungen unterhält Sarastro (der autoritäre, freilich vokal
nun doch etwas altmännerzittrige Matti Salminen) offenbar einen
Cateringservice. Als dessen Kinderarbeiter streicheln die schwer
traumatisierten (und ziemlich unausgeglichen trompetenden) drei Tölzer
Knaben erst mit anderen Leitgenossen ausgestopfte Raben, später rupfen sie
in einer schmuddeligen Speisekammer tote Hühner. Nebenan findet für
Sarastros von Heidi Hackl eingekleidete Society-Anhänger eine Spendengala
statt. Und eine wirr mit dem Schlachtermesser fuchtelnde
Gesellschaftsschnepfe mit käsigem Gesicht kommt als Königin der Nacht mit
viel Huibuh aus dem Kühlschrank. Elena Mosuc scheint zwar nicht so Recht zu
wissen, wieso – ihre Koloraturen stanzt sie aber mit Furor in die Opernluft.
In diesem Führerbunker gibt es eine Fechtsporthalle für die eingeweihten
Führungskräfte und offenbar ein Gym für deren barbrüstigen Sprecher (wohlig
undeutsch: Gabriel Bermúdez). Die drei Damen scheinen einem Pool für
sonnenbrillentragende, miniberockte Assistentinnen-Schicksen entsprungen;
die beiden Geharnischten einer Liberace-Look-a-like-Agentur. Der Mohr
Monostatos (schludrig: Rudolf Schasching) versteckt sich zwischen drei
halbtoten Dessous-Girlies als schwarzer Frosch mit der Maske in einer
Badewanne.
„Die Zauberflöte“ als pathologische Anstalt, wo entbeint und filettiert,
nummeriert und analysiert, selten aber geliebt und getröstet wird. So als
hätte Ivan Nagel sein berühmtes Mozart-Buch nicht „Autonomie“, sondern
„Anatomie und Gnade“ genannt. Als Forensiker stochert Martin Kusej
„CSI“-geübt unerbittlich im Mozartfleisch. Menschen schauen sich an und
durchschauen einander nicht, reden aneinander vorbei, versprechen viel und
halten wenig. Zwischen Metallspinden wuseln Chirurgen und Grubenarbeiter,
Tamino steht nicht vor Prüfungstempeln, sondern prosaisch vor Traforäumen.
Und so ist die Feuerprobe nichts anderes als ein banaler Gang durchs
Benzinlager mit dem Streichholz, und die Wasserprüfung erweist sich als
doofes Video, das zeigt, dass das gar nicht hohe Paar wie bei Dietmar
Schönherrs „Wünsch Dir was“ im Sponsorenauto im Wasserbassin groundet – ein
Schweizer Trauma.
Nikolaus Harnoncourt hält mit dem Zürcher Opernorchester in gewohnter Manier
dagegen. Wohl artikuliert und kalkuliert bis ins meist sinnfällige Detail;
aber seine sich stark ziehende Art samt den querständigen Tempi wirkt
bisweilen erbsenzählerisch. So mancher seiner gelehrigern Schüler dirigiert
das heute ebenso aufgeklärt, aber organischer.
Doch ist es eine gute, ein wenig harte, nicht sehr flexible Basis für die
beiden Protagonisten: Julia Kleiters patent-praktische mit glockigem Sopran
auftrumpfende Pamina und (des einspringenden) Jonas Kaufmanns stimmlich
schon über die Rolle hinausgewachsenen, kernig, ja stählern zupackenden
Tamino. Noch von den Notarztliegen fallen sie einander in die Arme: um
vieles stärker und vitaler, als Martin Kusej uns glauben machen will. |
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