Stuttgarter Nachrichten vom 21.02.2007
Armin Friedl
Mozart: Die Zauberflöte, Zürich, 17. Februar 2007
Die vierte Prüfung im Schwimmbad
Martin Kusej inszeniert an der Züricher Oper Mozarts "Zauberflöte"
Anfang und Ende gleichen sich: Schon zur Ouvertüre steht das Brautpaar auf der Bühne, lächelt so glücklich ins Publikum wie zu den Schlussakkorden. Dazwischen erinnert es sich an das, was dieser Vermählung vorausging.

Und das ist bei Martin Kusej ein ziemlicher Albtraum. Bis zur Bühnendecke reichen die Mauern aus betongrauen Quadern, die sich labyrinthisch verkeilen und den Spielraum einengen. Diese drehen sich zwar auf der Bühne der Züricher Oper, aber weder weiten sie sich aus oder verschwinden, zu sehen sind eben nur verschiedene Variationen von Enge. Und der lustige Papageno ist bei seinem ersten Auftritt in der Voliere gefangen.

Nun gibt es in der Tat klaustrophobe und beängstigende Situationen in Mozarts "Zauberflöte", doch ein einziger trister Gang durch eine Architektur, die wie ein Gefängnis anmutet, ist sie nun auch wieder nicht. Kusej verzichtet auf jegliche Freimaurer- oder Ägypten-Assoziationen, und das ist ja auch in Ordnung so. Doch sonst ist ihm außer ein paar Mätzchen nicht viel eingefallen: Die drei Schicksalsdamen stochern blind durchs Gelände, in der Essenspause zwischen den Prüfungen greift Papageno zur Cola-Büchse und liest auch noch laut den Markennamen vor. Der Prinz ist entzaubert, der Vogelhändler ist ein struppiger, schwarz-weiß gekleideter Vorstadtpunk - optisch ist das eine triste Angelegenheit.

Dass die gesamte Oper nicht ganz so daherkommt, liegt am musikalischen Beitrag. Dirigent Nikolaus Harnoncourt ist nicht mehr so dogmatisch wie einst, er lässt auch mal die Musiker sängerisch denken. Süffig und samtig spielte das Züricher Opernorchester die Ouvertüre, etliche Passagen klangen auch im weiteren Verlauf wie eine Vorwegnahme des Spätwerks von Gioacchino Rossini. In der Tempowahl entschied sich Harnoncourt grundsätzlich für ziemlich langsam. Ungewöhnlich zärtlich erklang so die Antrittsarie von Papageno, fast schon tragisch, das Scheitern vorausahnend, jene der Königin der Nacht. Mit Nachlässigkeit hat dies jedoch nichts zu tun, das zeigte sich in den Chorszenen, in denen Harnoncourt im Zusammenspiel äußerste Präzision einforderte.

Was die Optik nicht hergibt, holen die Solisten eben stimmlich nach. Ruben Drole ist ein ganz herziger, liebevoller und lustiger Papageno, der auch noch gewinnt, wenn er verzagt ist. Bei der Premiere war Jonas Kaufmann als Tamino sein Partner, der kurzfristig für den erkrankten Christoph Strehl eingesprungen ist. Er bewegte sich ganz natürlich, agierte auch viel mimisch und gestisch. Stimmlich ist ihm die Rolle eh wie auf den Leib geschrieben. Ähnliches lässt sich auch von Matti Salminen berichten, ein bewährter und souveräner, nach wie vor voll tönender Sarastro.

Ein ungewöhnliches Rollenprofil wählte Elena Mosuc als Königin der Nacht. Ihre Rachearie etwa stellte sie ganz in den Dienst des Stückes, indem sie mit den berühmten aberwitzigen Koloraturen nicht bravourös vor dem Publikum glänzte, sondern diese rau und gepresst ausschließlich an ihre Tochter richtete. Julia Kleiter gab eine vor allem verängstigte Pamina.

Am Schluss greift Kusej doch noch in die Trickkiste. In einer Videomontage steigt das glücklich vereinte Paar in ein Auto, das in Wasserfluten versinkt. Gewissermaßen als vierte Prüfung schwimmen sich die beiden dann in einem Schwimmbad ins Freie, die Hochzeit kann beginnen.






 
 
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