DIE RHEINPFALZ vom 24.04.2007
Frank Pommer
Schubert: Winterreise, Heidelberg, 22. April 2007
Jonas Kaufmann singt Schuberts „Winterreise"
Mit dem Tenor Jonas Kaufmann gastierte einer der derzeit interessantesten Opernsänger beim „Heidelberger Frühling". Die Frage allerdings, ob Schuberts Liederzyklus „Die Winterreise" das richtige Repertoire für ihn ist, lässt sich nach seinem Kontert am Sonntagabend zusammen mit dem Pianisten Helmut Deutsch nicht eindeutig beantworten.

Es ist der Gipfel des Liedgesangs: Schuberts „Winterreise" - 75 Minuten Selbstentäußerung. Und sängerische Kraftanstrengung, von der man allerdings nichts merken darf. Nackter nie ist ein Sänger als in einem Liederabend, nie so ganz alleine gelassen - sieht man von seinem pianistischen Partner ab. In Schuberts „Winterreise", die nur vordergründig ganz romantisch von einer enttäuschten Liebe erzählt, geht es um fast schon existenzielle Themen: Todessehnsucht, Wirklichkeitsverlust - ein Stationendrama der Regression, der willentlich herbeigeführten Selbstauflösung in der ungastlichen, winterlichen Natur. Wie aber singt man so etwas?

Nun, zunächst einmal mit perfekter Technik, mit sauberer Stimmführung, mit lyrischer Einfärbung. Zu viel Druck kann schädlich sein, nachlassende Konzentration nachgerade tödlich. Der Sänger muss die Spannung halten, zugleich die Verzweiflung des lyrischen Ichs glaubhaft vermitteln - und darf doch nie mit seiner Identifikation zu weit gehen. Groll, Wirklichkeitsverlust, herzzerreißende Trauer, abgrundtiefe Resignation: dies alles muss der Sänger vermitteln. Und nichts, außer seiner Stimme, hilft ihm dabei. Keine Bühne, kein Kostüm, kein Orchester. Nur das Klavier erzählt die gleiche Geschichte einer in völliger Verzweiflung mündenden Verletzung.

Jonas Kaufmann hat eigentlich alle stimmlichen Fähigkeiten, um diesen sängerischen Gewaltakt zu stemmen. Er versucht es vor allem mit einer dynamischen Ausdifferenzierung, will seiner Stimme auch damit die unterschiedlichsten Farben mitgeben. Und doch irritiert schon sein erster Einsatz in „Gute Nacht". Geradezu flüsternd, unsicher tastend steigt er in den Zyklus ein. Die Stimme klingt brüchig, kehlig, spröde, scheint nicht dort zu sitzen, wo sie hingehört. Ist das nun Manierismus oder einfach nur technisch unsauber? Dass er es ganz anders kann, beweist schon das zweite Lied: „Die Wetterfahne". Hier präsentiert er sein stimmliches Material, macht ganz auf und begeistert - wie etwa auch später im Schlussvers von „Die Krähe" auf den Vers „Treue bis zum Grabe" - mit einem strahlenden Tenor, der seine lyrische Mozartphase längst hinter sich hat und auf dem Weg ist ins Heldenfach.

So geht das den ganzen Abend: Leichte intonatorische Unsauberkeiten, eine Stimme, bei der man Angst hat, dass sie im nächsten Moment ganz wegbrechen wird, wechseln sich ab mit Momenten großen Liedgesangs. Kaufmann könnte, wenn er wollte, all diese Brüche und Schwächen umgehen. Doch er will das wohl so, will auch stimmlich das Gebrochensein des leidenden Ich, seine Verirrung an der Welt zum Ausdruck bringen. Das ist ein sehr großes Risiko, das nicht immer belohnt wird.
(meine Empfehlung: Hört es euch lieber selbst an )






 
 
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