Mannheimer Morgen
von Eckhard Britsch
Schubert: Winterreise, Heidelberg, 22. April 2007
Klang und Deutung
HEIDELBERGER FRÜHLING: Jonas Kaufmann mit der "Winterreise"
Heimspiel für Jonas Kaufmann. Vor gut zehn Jahren, ziemlich am Anfang seiner Karriere, verzauberte er sein Publikum auf dem Heidelberger Schloss im Touristen-Renner "Student Prince". Seither zieren Auftrittsorte wie Tokio, New York, Zürich, Salzburg, Edinburgh und so weiter und so weiter den Karriereweg des hoch gelobten Tenors. Jetzt, beim Heidelberger Frühling, riss er in der Alten Aula sein Publikum mit Schuberts Zyklus "Winterreise" zu Beifallsstürmen hin.

Der Mann hat Ausstrahlung. Sein Zugang zu dieser Folge "schauerlicher Lieder", die Schubert selbstquälerisch gegen Ende seines Siechtums als richtungweisende Einheit von Poesie und Klang, von Wort und Musik zum Kosmos einer Depression zusammengewunden hatte, ist erst einmal ein originär sängerischer. Seine Stimme hat Sitz, Farbe, modulierenden Charme und attraktive Substanz. Aber bei diesem Sänger, der die Jugendlichkeit gepachtet zu haben scheint, kommt jetzt auch ein anrührendes Eingehen auf die Stimmungen der Lieder hinzu.

Sind die Lieder wirklich "schauerlich"? Bei Jonas Kaufmann klingt das anders, subtiler, als wenn er nur der niederschmetternden Bilanz des einsamen Wanderers nachspüren wollte. Bei ihm kommt ein feines Farbenspiel seelischer Befindlichkeit in den Gesang, der ihn vor eindimensionaler Betrachtung bewahrt. Denn über die Inhalte - Verzweiflung ob verlorener Liebe und Todessehnsucht - hinaus zeigt Jonas Kaufmann, was dieser Zyklus auch, ja vorrangig ist: wunderbare Musik, deren facettenreiche Schönheit er auffächert.
Natürlich stellt er "Die Wetterfahne" harsch auf oder zeigt die fünfte Strophe des "Lindenbaums" ("Die kalten Winde bliesen") in wortlastiger Abstraktion oder lässt der Resignation in der Schlusszeile des "Frühlingstraums" freien Lauf. Doch alle Stimmungswechsel sind bei Jonas Kaufmann eingebettet in die Idee eines Gesangs, dem Klang mindestens so wichtig ist wie Deutung.

An seiner Seite Helmut Deutsch, als Liedbegleiter längst eine Instanz. Anfangs schien die dynamische Balance zwischen Flügel und Singstimme noch nicht ganz austariert, später ergab sich jene Einheit, die von Interpreten als Ideal erhofft wird.






 
 
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