Neue Zürcher Zeitung, 22. März 2005
Thomas Baltensweiler
Mozart: La clemenza di Tito, Zürich, April 2005
Der impulsive Müllerbursche
Schubert-Zyklus mit Jonas Kaufmann
Die Gedichtsammlung, auf der Schuberts Liedzyklus «Die schöne Müllerin» beruht, hat der Dichter Wilhelm Müller als «lyrischen Roman» bezeichnet. Er schildert die Liebe eines Müllerburschen - Hoffnungen, Momente der Euphorie, Zweifel, Enttäuschung - und schliesslich seinen Freitod. Wer ist dieser Müllerbursche, wenn der junge deutsche Tenor Jonas Kaufmann ihn gestaltet? Erfahren konnte man es am Sonntagabend im Opernhaus Zürich, wo Kaufmann regelmässig auftritt. Eigentlich konnte man zunächst vor allem erfahren, wer der Müllerbursche Kaufmanns nicht ist: Er ist nicht ein schüchtern-übersensitiver Jüngling, dessen Treuherzigkeit von einem womöglich schon in die Jahre gekommenen Interpreten mit grossem Kunstverstand erst erschaffen werden muss. Kaufmann ging die «Partie» auf denkbar natürliche Weise an: Da stand ein junger Mann auf dem Podium und gab die Bekenntnisse eben eines jungen Mannes wieder. Frisch sang er, kräftig auch - sein Tenor verfügt über eine dunkle Färbung und einen festen Kern; wo markante Akzente gefragt waren, entfaltete er grosse Strahlkraft. Der Impetus von Kaufmanns Singen - etwa in «Mein!» - war weit beeindruckender als seine dramatischen Opernrollen, denn die Schubert- Lieder zwangen ihn nie zum Forcieren. Kaufmanns viriles Gestalten schloss indes leisere Töne nicht aus. Doch verlor seine Stimme im Piano an klarer Fokussierung, wirkte zuweilen leicht verschleiert. Die Steigerungen, etwa in «Trockne Blumen», erhielten dadurch aber fast noch mehr Unmittelbarkeit und verliehen dem Charakter des Müllerburschen etwas Impulsives. Grossartiges leistete der Pianist Helmut Deutsch: Sein farbenreiches Spiel betonte stets den geschmeidigen Fluss der Musik und vermochte zugleich Einzelheiten mit einer ungeheuren Plastizität herauszuarbeiten.






 
 
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