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Berliner Morgenpost,
24.04.2004 |
Klaus Geitel |
Schubert: Messe in Es-Dur, Berlin, April 2004
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Harnoncourt setzt Schubert die Krone auf
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Um Franz Schubert liegt immer noch und sehr zu
Unrecht die Gloriole bürgerlichen Kleinmeistertums, zusammengewirkt aus den
unsterblichen Liederkreisen wie aus seiner Kammermusik. Gegen diesen irrigen
Eindruck spielte letztendlich selbst seine späte, gewaltige Sinfonie mit
ihrer himmlischen Länge nicht an. Jetzt aber widersprachen die
Philharmoniker unter Nikolaus Harnoncourt nachdrücklich dieser sich über die
Jahrhunderte hinschleppenden Fehleinschätzung des Meisters.
Ihr jüngstes Konzert, beginnend mit der 1. Sinfonie des 16-jährigen Franz
mit ihrem entzückend hingebreiteten Imponiergehabe, gipfelte in der sechsten
und letzten Messe Schuberts, nach seinem frühen Tode von seinem Bruder
Ferdinand uraufgeführt. Harnoncourt sieht in dieser Messe in Es-Dur ein Werk
vom Range der "Missa solemnis" Beethovens, und er gab ihr entsprechend
Gestalt.
Es ist eine Chormesse von imponierender Größe. Der von Uwe Gronostay
einstudierte Rundfunkchor entfaltete sie prachtvoll zu einem rauschenden
Chorgebet, in das selbst die hochkarätigen Solisten nur Stimmtropfen
einspeisen durften. Allen voran die beseligende Dorothea Röschmann,
flankiert von den beiden exzellenten Tenören Christian Elsner und endlich
auch wieder von Jonas Kaufmann, der unter Dutoit unvergesslich Berlioz zu
singen verstanden hatte.
Das Terzett dieser drei im Credo, ein kanonisch geführtes Rondo, ist ein
wahres Juwel der in Wien damals immer noch grassierenden Italianità, wie sie
Rossini eingeschleust hatte: eine Infektion mit melodischer Herrlichkeit.
Die drei Solisten schöpften sie gründlich und anrührend aus. Dafür sorgte
aber nachdrücklich Harnoncourt. Lange schob man ihn hochachtungsvoll in die
kalte Ecke des Sektierertums ab. Jetzt ist bei aller Strenge und
gelegentlicher Pedanterie seine innere Hingerissenheit von der Musik, die er
macht, unüberhörbar, ebenso seine leidenschaftlich aufklärerische
Intensität.
Dieser diente auch die vorgeschaltete Jugendsinfonie mit ihrem frischen,
formalen Anspruch, ihrem Geschmetter, ihrer Lebenslust, die sie in die
überkommenen, sorgsam respektierten Regeln einfließen ließ: eine Talentprobe
sondergleichen. Bereits der Griff nach der Krone in jungen Jahren. "Zu erben
muss man auch verstehen. Erben ist am Ende Kultur", hat Thomas Mann
nachdrücklich deklariert. Schubert hat es verstanden. Man ist auch nach
annähernd zweihundert Jahren baff vor so viel Selbstbewusstsein - und der
Anmut, mit der Schubert es preisgibt. |
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