Der Bund, 14. 01. 2003
MARTIN ETTER
Mozart: Idomeneo, Zürich, Januar 2003
Rundum ein geglückter Wurf
Im Zürcher Opernhaus ist eine Neuinszenierung von Mozarts «Idomeneo» zu Recht überaus erfolgreich
Zu den fünf weltweit populären Meisteropern Mozarts gehört der 1781 in München uraufgeführte «Idomeneo» nicht. Der Breitenwirkung steht vor allem das durchgehend ernste, von keinerlei witzigem Humor durchsetzte Libretto von Giambattista Varesco entgegen. Aber die Musik, die ganz den Gesetzen der «opera seria» verpflichtet ist, lotet tief in die seelischen Abgründe von Liebe, Hass, Hoffnung und Verzweiflung hinein und markiert deutlich den Beginn der künstlerischen Reife des zur Entstehungszeit des Werkes erst 25-jährigen Amadeus.

Konzept Dohnanyi/Grüber
Im Opernhaus Zürich zeichnete jahrelang das legendäre Gespann Harnoncourt-Ponnelle für die musikalische und szenische Wiedergabe von Mozart-Opern verantwortlich. Nun haben sich der Dirigent Christoph von Dohnanyi, der Regisseur Klaus Michael Grüber (Mitarbeit: Ellen Hammer) und die Ausstatter Gilles Aillaud, Bernard Michel und Eva Dessecker eine völlig andere, neuartige Konzep- tion erarbeitet. Nach Harnoncourts Rückgriff auf die Aufführungspraxis von einst bevorzugt nun Doh- nanyi moderne Instrumente und nach Ponnelles superästhetischem Bühnenglanz stellt nun Grübers Team karge, aber überaus eindrückliche und auf das Wesentliche konzentrierte optische Lösungen vor. Dohnanyi musiziert mit dem erneut zu singulären Leistungen animierten Orchester der Oper Zürich und den von Ernst Raffelsberger vorzüglich vorbereiteten Chören schlank, hochdramatisch, kontrastfreudig und intensiv eine Mozart-Interpretation von hohem Rang: ohne gekünstelt-manieristische Zutaten, aber sensibel akzentuiert, behutsam differenziert und verinnerlicht präsentiert. GrübersInszenierung in einer ganz schlichten, nie vom Werksinn ablenkenden Bühnenlandschaft ist erfolgreich um Natürlichkeit, Wahrhaftigkeit und Spannung bemüht: auch dies eine inspirierte, in jeder Hinsicht vorbildliche Verdeutlichung.

Ideale Besetzung
Ein durchwegs junges Ensemble sorgt für hochkarätiges vokales Format und für darstellerische Expressivität nie wird forciert, aufdringlich exzentrisch oder gar vergagt gespielt und gesungen. Aufsehen erregt zunächst Jonas Kaufmann, der die Titelpartie mit apart timbriertem Tenor, hochentwickeltem Stilempfinden und geradezu magischer Ausstrahlung erfüllt und sich damit für die Wunderlich- und die Schreier-Nachfolge empfiehlt. Kaum minder ideal ist Idamantes mit Liliana Nikiteanu besetzt mit einer Sängerin also, die ihre schon anderwärts bewiesene Eignung für Hosenrollen mit sorgfältiger Stimmgebung und kostbarem Mezzo-Material zu vereinigen weiss. Malin Hartelius leiht der Lichtgestalt der Ilia wundersam lyrische Sopransüsse und Anmut in Gestalt, Haltung, Gestik und Mimik. Und Luba Orgonasova gelingt das Kunststück, die Furie Elettra mit leuchtkräftiger Stimme, beherrschter Gesangskunst und fein abgestuftem Ausdruck in eine verzweifelt um ihr Glück kämpfende Frau zu verwandeln. Christopher Hux und Giuseppe Scorsin verwalten die Nebenrollen dem Opernhaus-Niveau entsprechend und runden damit die positiven Eindrücke ab, die sich in langanhaltendem, unangefochtenem Premierenbeifall äusserte.
Foto: Copyright: Suzanne Schwiertz, Zürich






 
 
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