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Zürich Express, 12 .11. 2002 |
HANS ULI VON ERLACH |
Fierrabras, Zürich, November 2002
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Schubert spielt die eigene Oper
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«Fierrabras» von Franz
Schubert im Opernhaus: Ein selten gehörtes Meisterwerk erobert das Publikum |
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Romantisches
Zeitalter wie es im Buche steht: Fünf junge Menschen, Liebe, Leidenschaft
und strenge Väter, pubertäre Todessehnsüchte und jugendlicher Trotz gegen
das Böse in der Welt. Aktueller könnte die Geschichte um den Fürstensohn
Fierrabras eigentlich nicht sein. Und weil dies auch die Welt des Franz
Schubert (1797-1828) war, lässt Regisseur Claus Guth den Komponisten seine
Figuren gleich selber ad hoc erfinden. Schubert führt sie auf der Bühne
zueinander, gegeneinander, einander in die Arme, drückt ihnen die Text- und
Notenblätter in die Hand. Es ist, als probiere Schubert selbst seine Oper
aus. Er beobachtet seine Personen von der Seite, und wenn sie sich
verselbstständigen, erschrickt er, freut sich oder leidet mit seinen
Figuren. Mit den jungen Männern, die um die Liebe der Mädchen und die
Anerkennung der Väter kämpfen, identifiziert sich dieser Schubert sichtbar:
Fierrabras, Roland, Eginhard und er tragen dieselben Kostüme.
Verworrene Story spannend Inszeniert
Auch wenn dieser Einfall mit dem «Regie führenden» Komponisten manchmal
etwas gar symbolschwanger ausgekostet wird: Er ist nicht nur einleuchtend,
sondern entstaubt auf theatralisch unterhaltsame Art die ziemlich verworrene
Geschichte, sorgt für dramatische Spannung und erleichtert das Verstehen.
Symbolträchtig ist auch Christian Schmidts Einheitsbühnenbild. Die
turbulente Gefühlswelt der Jungen spielt in einem strengen, eleganten
Biedermeierzimmer, wo der Eltern überdimensionierte Möblierung der Jugend
buchstäblich im Wege steht. In dieser Erwachsenenwelt probt sie ihren
Aufstand als leichtfüssig inszeniertes Spiel, das stets auch in bitterbösen
Ernst zu kippen droht. Mit «heroisch-romantische Oper» untertitelt Schubert
sein letztes Bühnenwerk. Die neue Zürcher Produktion streicht vor allem den
zweiten Begriff heraus. Die kriegerischen Differenzen der zwei verfeindeten
Familien werden nur als eine Art «Kinderspiel» inszeniert, sind nur Auslöser
für die romantischen Gefühle. Das passt zur hier gepflegten, reinen
Schönheit des Gesangs in Arien, Duetten, Quartetten und grossen Ensembles.
Da lassen Solisten und Orchester den Melodiker und Liedkomponisten Franz
Schubert aufblühen. Und Dirigent Franz Welser-Möst findet eine spannende
Balance zwischen schwelgerisch-romantischem Klang und den vielen
melodramatischen Zwischentönen. Im 2. Akt allerdings tritt der
Bühnen-Schubert als Drahtzieher zurück, um so opernhafter braust der
Komponist Schubert aus dem Orchester. Da werden dann doch Krieg und Politik
hörbar und machtvoll instrumentiert. Hier hat auch der grosse Chor seine
strahlendsten Momente.
Junge Sänger, die überzeugen
Dass das Opernhaus alle Protagonistenrollen mit jugendlichen, exquisiten
Sängern besetzen konnte, die erst noch glaubhaft schauspielern, macht diese
Schubert-Oper, die in Zürich noch nie zu sehen war, zur geglückten
Entdeckung. Als Stimmen bleiben vor allem in Erinnerung: die körperreich
tragende, warm strahlende Mittellage von Joanna Kozlowska als Emma, der
männlich dramatische Tenor von Jonas Kaufmann als Fierrabras, der warm
timbrierte Bariton von Michael Volle als dessen Freund Roland und die
wunderbar romantisch und liedhaft geführte Stimme von Tenor Christoph
Strehle als Eginhard. |
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