Wer diese tief bewegende Aufführung im Münster von Neuberg an der Mürz
erlebt hat, dem mußte nicht nur das unausrottbare Vorurteil von der
"Opernhaftigkeit" dieser Musik absurd erscheinen. Beinahe konnte er auch
an der Entscheidung des Komponisten irre werden, das Werk in die
Konzertsäle und Opernhäuser hinauszutragen: Niemals entfaltet sich dort
die sakrale Weihe, die spirituelle Tiefe dieser Totenmesse so überzeugend
wie diesmal in der lichtdurchfluteten Weite des "Doms im Gebirge".
Unverbrauchte Frische
Das schmälert nicht Stefan Vladars Leistung, im Gegenteil: Man mochte
meinen, sein Konzept einer Interpretation, die der routinierten Glätte des
"Betriebes" in weitem Bogen aus dem Wege geht und an deren Stelle eine
intensiv erfühlte Exegese des geistigen und musikalischen Gehaltes setzt,
sei speziell für den Ort dieser Aufführung ersonnen werden. Abermals - wie
zuletzt beim Deutschen Requiem von Johannes Brahms - überraschte dabei der
eigenständige Gestaltungswille des gelernten Pianisten, der damit auch am
Dirigentenpult trotz (oder gerade wegen) der unverbrauchten Frische des
Zugangs seinen Mann stellt. Vladar läßt sich Zeit, läßt die einzelnen
Phrasen ruhig ausschwingen, ersetzt herkömmliche Hektik durch überlegene
Gliederung und läßt die Musik "atmen", wobei er es gar nicht nötig hätte,
der aktuellen Mode der angeblich "rhetorischen" Pausen nachzuhängen.
Gerade auch die lyrischen Passagen gewannen dabei durch ihr ruhevolles
Aussingen-Lassen an Eindringlichkeit und Gewicht.
Sensationeller Tenor
Dem hatte sich auch das ideal gewählte Solistenquartett unterzuordnen.
Margareta Hintermeier mit ihrem gleichsam stählernen, mit Ernst und
Leidenschaft eingesetzten Mezzo stand da drei jungen Stimmen gegenüber,
die - ähnlich wie Vladar - Verdis Intentionen oftmals besser entgegenkamen
als dies zuweilen Weltstars gelingt. Die junge ungarische Sopranistin
Beatrix Fodor, nur ganz zuletzt schon etwas ermüdet, wußte
Durchschlagskraft bei Tutti mit berückenden Piani der Höhe zu verbinden.
Egils Silins zuweilen etwas fahler Baß erfüllte seinen Part dennoch mit
Würde. Und geradezu sensationell der Tenor von Jonas Kaufmann, der wie
wenige das so oft geforderte dolcissimo zu strahlenden Spitzentönen zu
entwickeln verstand. Perfekt sang der Philharmonische Chor Brünn, sehr
ordentlich schlugen sich die Grazer Symphoniker |