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Opernglas 3/1998 |
L. Rivera |
Cosi fan tutte, Mailand, 26. Januar 1998, Piccolo Teatro
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Cosi fan tutte
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Nach fast fünfzehnjähriger Bauzeit, denn
Grundsteinlegung war bereits im Jahr 1982, wurde jetzt das neue Piccolo
Teatro von Mailand mit Mozarts "Così fan tutte" eröffnet.
Durch Ironie des Schicksals konnte jedoch sein Begründer, der berühmte
Theatermann und Opernregisseur Giorgio Strehler die Eröffnung nicht mehr
erleben. Genau einen Monat vorher starb er überraschend an einem
Herzinfarkt. Der Tod riß den energiegeladenen Regisseur aus den ersten
Proben zu "Così fan tutte", der Eröffnungsvorstellung des neuen Theaters.
Auf Strehlers Wunsch soll das "Nuovo Teatro Piccolo" ein multifunktionales
Theater sein, in dem auch Opern zur Aufführung gelangen und
Konzertveranstaltungen stattfinden. Rund zehn Tage probte er begeistert mit
einem jungen internationalen Ensemble. Das Regiekonzept hatte er den
Mitwirkenden noch erläutern können.
Mozart war Strehlers Lieblingskomponist gewesen. Zwei Opern der Da Ponte-
Trilogie "La nozze di Figaro" und "Don Giovanni" hatte er bereits unter der
musikalischen Leitung von Riccardo Muti an der Mailänder Scala inszeniert.
Nun wollte er mit einem jungen Ensemble unter dem Dirigenten Ion Marin die
Trilogie in seinem neuen Theater zum Abschluß bringen. "Der einzige Alte in
diesem Theater bin ich, denn die Zukunft gehört der Jugend" hatte er noch
bei den letzten Proben seinen Künstlern gesagt.
Mit der vom Mailänder Symphonieorchester "Giuseppe Verdi" gespielten
Ouvertüre der "Così" war auch die Trauerfeier für Giorgio Strehler am 27.
Dezember vor dem neuen Theater zu Ende gegangen. 1947 hatte der junge
Strehler mit Paolo Grassi das Piccolo Teatro, Italiens berühmteste
Sprechbühne gegründet. Mit Berthold Brechts "Dreigroschenoper" gelang ihm
schon 1956 der internationale Durchbruch, und Brecht, der bei der Premiere
anwesend war, nannte Strehler schon damals "den besten Regisseur Europas".
Auch alle dreiunddreißig Operninszenierungen, die Strehler für die Scala
geschaffen hat, und dazu gehören die maßstäbesetzenden Inszenierungen von
"Simone Boccanegra", "Macbeth" und "Falstaff", waren von Erfolg gekrönt. Für
einen neuen Sitz seines Sprechtheaters hatte er mehr als dreißig Jahre
gekämpft.
Regisseur Carlo Battistoni, Strehlers langjähriger Mitarbeiter, hatte
versucht, Strehlers Regiekonzept auf der Bühne zu realisieren… Aber wie
viele brillante Ideen bei der Personenführung hätte Strehler, der bei jeder
Operninszenierung bis zu den letzten Proben (und für Januar waren fast
täglich Proben angesetzt) immer noch neue Einzelheiten beim "work in
progress" einbrachte, wohl noch gehabt? Er hinterließ seine bezaubernd
schöne und doch noch unvollendete "Così fan tutte"-Inszenierung als sein
künstlerisches Vermächtnis.
Wie so oft ließ Strehler auf einer fast leeren, magisch ausgeleuchteten
Bühne spielen (Bühne: Ezio Frigerio). Zwei hohe, versetzbare Seitenwände,
die je nach Bedarf große oder kleine Räume schufen, waren konstante
Elemente. Ein paar eiserne Caféhausstühle, später ein Divan und zwei Betten
für Fiordiligis und Dorabellas Zimmer, ein dunkler Kahn vor dem gemalten
blauen Meer, in dem die unternehmungslustigen Offiziere, die die
unerschütterliche Treue ihrer Bräute prüfen wollen, in See stechen.
Strehlers geniale Lichtregie fasziniert. Manchmal erscheinen die Personen
schattenrißhaft in gleißendem Licht. Die hellen, mediterranen Farben
bestechen: Das von Grün zu Blau wechselnde Meer, der sich verfärbende
Himmel, die goldrote Mondsichel. Die Beleuchtung der Hochzeitsszene durch
elf von orientalisch gekleideten Dienern getragene vielarmige Kerzenleuchter
ist voller Poesie. Mit wenigen Mitteln erreicht Strehler höchste
Theatermagie. Die märchenhaften Kostüme der Oscarpreisträgerin Franca
Squarciapino waren auf Pastellfarben abgestimmt.
Strehler hatte zwei Ensembles mit vier jungen Sängern ausgewählt, die
abwechselnd bis zum 10. März die insgesamt 28 Vorstellungen bestreiten.
Eteri Gvazava und Teresa Cullen als reizendes Geschwisterpaar. Jonas
Kaufmann und Nicolas Revenq als Ferrando und Guglielmo sangen die Premiere.
Die hübsche Russin Eteri Gvazava ließ ihre frische, gutgeführte, wenn auch
etwas zu wenig "mozartisch" klingende Stimme hören und meisterte ihr "Come
scoglio" einwandfrei. Teresa Cullen zeigte den leidenschaftlichen Charakter
der Dorabella, und ihr heller, angenehmer Mezzo bestach. Nie übertrieben,
aber von draufgängerischer, jugendlicher Munterkeit gaben sich die Herren
Offiziere. Jonas Kaufmann besitzt eine frische, junge Tenorstimme, und
Nicolas Rivenq als Guglielmo ließ einen wohlklingenden Bariton hören. Soraya
Chaves war eine dralle und doch charmantlistige Despina mit ausdrucksvoller
Stimme. Als drahtziehender "Filosofo" zeichnete Alexander Malta eine gute
Charakterstudie.
Ion Marin am Pult des erst vor vier Jahren gegründeten Mailänder
Symphonieorchester "Giuseppe Verdi", das ausschließlich aus jungen Musikern
besteht und an diesem Abend sehr gut musizierte, setzte leider auf Kosten
mancher mozartischer Feinheiten auf einen recht derben Klang und war am
Premierenabend den Sängern nicht immer ein aufmerksamer Begleiter.
Als am Schluß der Vorstellung auf der leeren Bühne ein brennender
Kerzenleuchter zurückblieb, zollte das ergriffene Publikum dem
unvergeßlichen Maestro Giorgio Strehler einen letzten, wehmütigen Applaus. |
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