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Stuttgarter Zeitung,
17.11.1998 |
Von Jürgen Leukel |
Rossini: Der Barbier von Sevilla, Stuttgart, November 1998
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Gut geöltes Räderwerk
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Der "Barbier von Sevilla" wieder im Großen
Haus |
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Nicht durchgehend, aber immer mal wieder drückt
sich Bartolos alte Haushälterin (Gabriela Herrera) an der Wand lang. Das
will die Regie (Beat Fäh) so. Der Eindruck, den Berta hinterläßt, ist nicht
der beste. Zwischen Debilität und Verschrobenheit, dabei farblich eins mit
dem Bühnenbild (Volker Pfüller), wirkt die betagte Perle so, als habe sie
überhaupt nichts mit Gioacchino Rossinis "Barbiere di Siviglia" zu tun. Auch
die anderen Mitspieler erledigen ihre Pflichten so, wie das von ihnen
erwartet wird - nichts Aufregendes, immer Rädchen in Rädchen.
Dies hat den großen Vorteil, daß der ganzen Mannschaft viel Zeit zur
Konzentration auf die Stimme bleibt. Davon bringt der Graf von Almaviva
(Jonas Kaufmann) eine ganze Menge mit. Der weiß, daß er gut aussieht, und
das münzt er in die entsprechenden Töne um. Die Stimme sitzt, sorgfältig
geführt sind die Legatobögen. Das feine Piano, dem auch ein wohlklingendes
Schmachten nicht fremd ist, läßt Kaufmann gelegentlich crescendierend
aufblühen. Dann delektiert sich das Publikum im Großen Haus an einer
gepflegten, vor Übertreibungen sicheren Italianità.
Dr. med. Bartolo (Karl-Friedrich Dürr), geizig, Junggeselle und nicht ganz
mündelsicher, ein Oskar-Sima-Verschnitt dem Habitus nach, schwankt etwas
zwischen gluckenhafter Komik und ernstem Interesse an der ihm
pflegebefohlenen Rosina. Diese, ein liebliches Kind (Helene Schneiderman),
scheint den Avancen des Herrn nichts abgewinnen zu können. Dafür singt sie
dann um so schöner, eine unverdorbene, mädchenhafte Stimme, die ihrer
Wirkung sicher ist.
Als Figaro macht Michael Ebbecke eine gute Figur. Gut geölt die Gurgel,
nichts Devotes, was ihm als ehemaligem Kammerdiener eigentlich liegen müßte,
hat er sein ganz eigenes Verständnis von seiner Rolle als Faktotum. Er zieht
die Fäden ohne fremde Anweisungen. Jovial und deshalb gefährlich agiert
Helmut Berger-Tunas Basilio, im Dienste von "Jugend musiziert", der sein
intrigantes Wesen hinter verbindlicher Unverbindlichkeit zu verstecken weiß.
Solide kammerdienert Peter Kajlinger (Fiorello), während Kyung-Suk Han als
Offizier schlicht seine Pflicht tut. Auf dem gewohnten Niveau sangen die
Herren des Staatsopernchors (Michael Alber). Paolo Olmi am Pult besorgte
einen gefälligen Rossini, dem das beseelte Leuchten etwas abging, eine
gleichbleibende, aber solide Leistung. |
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