Hannoversche Allgemeine Zeitung, 30.11.2021
Stefan Arndt
 
 
Herr Kaufmann, wie singt man am schönsten Weihnachtslieder?
 
„Jeder, der das hört, bekommt Gänsehaut“: Jonas Kaufmann kommt mit einem Adventsprogramm nach Hannover – und verrät, wie man unterm Weihnachtsbaum besser singen kann.

Herr Kaufmann, im Begleitheft zu Ihrem neuen Weihnachtsalbum sind auch Keksrezepte abgedruckt. Haben Sie vorher ausprobiert, ob die auch funktionieren?

Die Rezepte stammen aus unserer Familie und haben sich seit Langem sehr bewährt. Für mich stecken darin Erinnerungen an die eigene Kindheit. Und auch mit meinen vier Kindern habe ich viel gebacken. Gerade hat mir der Jüngste per Videochat seine neuesten Erzeugnisse gezeigt. Eher Knödel als Kekse, aber er ist sehr stolz und zufrieden. Das ist die Stimmung, die ich weitergeben will.

Backen können Sie ganz unbeschwert. Aber zur Weihnachtsstimmung gehören auch Lieder. Wie muss man sich das bei Ihnen vorstellen: Kommen die Nachbarn, wenn die Kerzen am Weihnachtsbaum brennen, und lauschen an der Tür? Können Sie überhaupt normal singen?

Absolut! Das mit den Nachbarn kann ich allerdings nicht bestätigen; ich habe sie noch nicht erwischt. Wenn ich meinen Kindern ein Wiegenlied singe, schmettere ich ja nicht mit der Opernstimme. Und unterm Weihnachtsbaum ist das meist auch nicht der Fall. Natürlich weiss ich, wie ich meine Stimme ohne die Verstärkung benutzen kann, die ich über Jahrzehnte trainiert habe. Es geht ums gemeinsame Singen. Man muss da richtig dosieren, das ist klar.

Je lauter desto besser
Sie wissen, was zu tun ist mit der Stimme. Viele Menschen trauen sich nicht, selbst zu singen, weil sie glauben, sie könnten es nicht richtig. Haben Sie einen Tipp, wie man das machen könnte?


Ich kenne das Problem: Meine Mutter hat sich auch nicht getraut. Sie konnte einem zwar noch die achte Strophe eines Liedes zuraunen, aber mitgesungen hat sie grundsätzlich nicht, weil sie nie den Ton getroffen hat. Wahrscheinlich hat man ihr in der Kindheit eingeredet, dass sie falsch singt. Das ist oft das Problem. Ich glaube aber nicht, dass es technische Dinge gibt, die man da machen sollte. Jeder soll frei von der Leber weg singen. Ich empfehle, sich die Lieblingslieder vorher auf eine Playlist zu tun, sie abzuspielen und einfach mitzusingen. Und je lauter die Aufnahme ist, desto besser.

Wäre Glühwein eine Hilfe?

Eine kleine Dosis Alkohol löst vielleicht schon noch die eine oder andere Hemmung.

Ein Herz für deutsche Lieder
Was erwartet das Publikum bei Irrem Konzert in Hannover?


Wir haben einen Schwerpunkt auf den deutschen Weihnachtsliedern. Daneben gibt es internationale Lieder –vor alle aus England und Amerika. Mit diesen Liedern bin ich ebenfalls aufgewachsen – mein Vater war ein großer Fan von Dean Martin und Bing Crosby. Aber das ist eher Musik zum Plätzchenbacken. Bei Kerzenschein unterm Weihnachtsbaum schlägt dann doch das Herz für deutsche Lieder.

In der Ankündigung zu Konzert steht, es sei schwer zu sagen, welches Ihr Lieblingslied
An dem Abend sind Sie in Niedersachsen: Da gibt es mit Michael Praetorius so etwas wie eine lokale Spezialität. Wie halten Sie es mit „Es ist ein Ros entsprungen“?


Es gibt ein paar Stücke, die komischerweise weniger populär sind, aber einen besonderen Zauber haben. Ganz sicher gehört „Es ist ein Ros entsprungen“ dazu. Es ist ein spezielles Lied mit einer eigenen Stimmung, das Mittelalterliche schimmert darin durch. Schon durch die Taktwechsel ist es nicht so geradeaus wie andere Lieder. Das erklärt vielleicht auch, warum das Lied im Ausland so unbekannt ist: Englische oder Französische Text funktionieren darauf nicht so eingängig. Sicher ist „Stille Nacht“ großartig. Aber man fragt sich schon, warum ausgerechnet dieses Lied, das einen relativ simplen Aufbau hat, so ein unglaublicher Welthit geworden ist du andere nicht.

Für die Opernbühne haben Sie für das kommende Jahr zwei Rollendebuts angekündigt:Unter anderem singen Sie zum ersten Mal Calaf in Puccinis „Turandot“ mit der Arie „Nessun dorma“, dem größten Hit aller Tenöre. Warum haben Sie damit so lange gewartet?

Es gibt Charaktere bei Puccini, die mich mehr reizen. Rudolfo, Cavaradossi; Des Grieux – das sind ganz andere Typen. Aber ich habe so oft den Zauber von „Nessun dorma“ im Konzert erlebt und bin dem Stück auch bis zu einem gewissen Grad verfallen. Diese schichte Melodie hat einen ungeheuren Effekt: Jeder, der das Stück hört, bekommt Gänsehaut. Natürlich möchte man das auch einmal Im Zusammenhang mit dem Rest des Stückes machen.






 
 






 
 
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