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News, 5. Februar 2022 |
von Heinz Sichrovsky/Susanne Zobl |
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"Es ist essenziell, dass wir nicht aufgeben"
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Die Opernstars Jonas Kaufmann und Bryn
Terfel im Doppelinterview |
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Eine Opernaufführung in höchstmöglicher
Sängerbesetzung: Der Wiener Staatsoper gelingt das mit Brittens finsterem
"Peter Grimes". Nach Lise Davidsen in der Vorwoche trafen wir nun Jonas
Kaufmann, der sein Rollendebüt inmitten der Pandemie begeht, und den
auratischen walisischen Bassbariton Bryn Terfel zum Gespräch über
Regie-Eskapaden, Netrebkos Singunlust und die Oper nach Corona. Derzeit in
der Wiener Staatsoper.
Besser, so darf pauschal, aber qualifiziert
festgestellt werden, kann kein Haus der Welt besetzen: Der Tenor Jonas
Kaufmann, der Bassbariton Bryn Terfel und die Sopranistin Lise Davidsen
verkörpern das jeweils Nobelste ihres Fachs. Wobei sich die Diagnose nicht
nur auf "Peter Grimes" bezieht, Benjamin Brittens erste, hoch persönliche
Oper aus dem Jahr 1945. Britten und sein Lebensgefährte, der Tenor Peter
Pears, waren mitten im Krieg aus den USA enttäuscht ins heimatliche England
zurückgekehrt, denn auch jenseits des Atlantiks war eine homosexuelle
Beziehung damals noch alles andere als ein akzeptiertes Lebensmodell.
In England entstand "Peter Grimes", eine finstere Geschichte aus
Brittens engerer Heimat an der englischen Ostküste. Der titelgebende Fischer
ist dort ein Außenseiter, gegen den sich kollektive Zerstörungsgelüste
wenden, als sein Lehrling zu Tode kommt. Grimes wird des Mordes bezichtigt
und freigesprochen, er nimmt wieder einen Lehrling, eine verheerende
Entscheidung Lise Davidsen als Grimes' solidarische Gefährtin haben wir
schon am 21. Jänner porträtiert. Nun trafen wir, korrekt geimpft, getestet
und maskiert, den Rollendebütanten Jonas Kaufmann, 52, und den Waliser Bryn
Terfel, 56, der den ambivalenten Kapitän i. R. Balstrode verkörpert.
Herr Kaufmann, ein Rollendebüt nach zwei Jahren Pandemie! Wie geht
es Ihnen dabei?
Kaufmann: Warum nach der
Pandemie? Sie ist ja noch immer da. Wir beten jeden Tag, dass es keinen
neuen Fall gibt, und testen wie die Hölle. Ich hätte mich auf dieses
Rollendebüt unter anderen Umständen viel mehr gefreut, es fühlt sich alles
so unwirklich an! Langsam glaube ich daran, dass es stattfindet, aber noch
vor zwei Wochen war ich mir fast sicher, dass wir wieder einen Lockdown
haben werden. Wir sind so glücklich, hier zu sein und, wenn das Publikum
diese Prozedur der Maßnahmen auf sich nimmt, ein fast volles Haus zu haben,
was in Europa selten geworden ist.
Terfel:
Großbritannien stellt nächste Woche die Maßnahmen überhaupt ein! In Wales
beobachten wir zwar ganz genau, was in Schottland passiert, denn da ist man
mit der Pandemie zwei Wochen hinterher. Aber ich gehe nach dem Wiener
"Grimes" sofort ans Royal Opera House in London, um dasselbe Stück vor
komplett vollem Haus zu spielen. Das ist unglaublich!
Eventuell auch etwas gefährlich?
Terfel:
Nicht, wenn man bedenkt, dass 70.000 Leute in die Fußballstadien dürfen.
Kaufmann: Nicht in Deutschland. Da dürfen nur 1.000 ins
Stadion.
Und wie viele in die Oper?
Kaufmann: Das ist überall verschieden. Sogar innerhalb Österreichs,
obwohl das ein relativ kleines Land ist. Was in Bayern oder in
Baden-Württemberg gilt, gilt nicht für Berlin oder Dresden. Niemand kennt
sich mehr aus, es scheint, nicht mal die Verantwortlichen. Wenn sich jemand
für Johnson & Johnson mit dem einen Stich entschieden hat, ist er plötzlich
über Nacht nicht vollständig geimpft! Das macht einem Angst. Großbritannien
ist schon von Beginn an anders mit der Pandemie umgegangen. Ich weiß nicht,
ob das richtig war, aber eine der Konsequenzen war, dass es fast jeder
hatte, auch ich, ganz am Beginn der Pandemie in London, die ganze
"Fidelio"-Besetzung war infiziert. Das Virus verbreitete sich schnell, und
natürlich brach das Gesundheitssystem zusammen. Aber jetzt, mit der neuen
Variante, scheint es, als ob wir uns etwas annähern, das wie eine Grippe
ist. Vielleicht kann man eines Tages auch in die Arbeit gehen, wenn man
keine Symptome hat. Viele Länder blicken neidisch auf Österreich, das als
erstes die Impfpflicht eingeführt hat.
Terfel: Das ist auch nötig,
denn die Anzahl der Geimpften ist ziemlich niedrig, Großbritannien dagegen
ist eines der stärksten mit Booster.
Sie selber waren nicht
infiziert?
Terfel: Nein. Und hier in Wien
werden wir zweimal am Tag getestet, schon am Vorabend, um am nächsten Tag
die Oper betreten zu können. Es gibt schon eine gewisse Änderung in der
Atmosphäre. Früher war es üblich, dass wir nach der Probe gemeinsam essen
gingen. Das macht heute niemand mehr. Wir schützen uns, vielleicht hat man
manchmal einen gemeinsamen Lunch, aber nicht mehr so oft.
Kaufmann: Wir fahren auch nicht mehr mit öffentlichen
Verkehrsmitteln, wir versuchen, die Massen zu vermeiden.
Was
sagen Sie denn dazu, dass Anna Netrebko alles abgesagt hat, weil sie durch
die Maßnahmen die Freude an der Musik verloren habe?
Terfel: Vielleicht hat sie gerade keinen Vertrag? Wir
singen jetzt jedenfalls hier "Peter Grimes" mit einer wunderbaren Besetzung.
Kaufmann: Unser Job war nie schwieriger als jetzt
während der Pandemie. Ich hatte immer zu tun, aber ich spreche jetzt über
all die anderen Musiker, die monatelang ohne Einkommen zu Hause waren. Gott
sei Dank hat der österreichische Staat schon früh Unterstützung geleistet,
man bekam keine Millionen, aber man hat etwas zum Leben. In vielen anderen
Ländern war das nicht der Fall, das war eine Katastrophe! Manche änderten
ihr Leben, wechselten den Beruf, manche begingen sogar Selbstmord. Und wir,
die in der ersten Reihe sind, können zeigen, dass wir noch immer da sind und
wie unglaublich schön unsere Kunst ist. Wann immer ich in den vergangenen
beiden Jahren die Chance hatte, aufzutreten, waren die Menschen berührt.
Nicht über meine Vorstellung, sondern über das bloße Faktum! Es ist
essenziell, dass wir nicht aufgeben. Vielleicht habe ich genug Geld, um zwei
Jahre Urlaub zu machen, aber das ist das falsche Signal. Viele kleine Häuser
wurden endgültig geschlossen. Deshalb werben viele Freunde klassischer Musik
für die Impfung. Nicht weil sie überzeugt sind, dass sie das Beste ist, aber
weil sie die einzige Möglichkeit ist, uns dem anzunähern, was wir noch vor
zwei Jahren für normal hielten.
Terfel: Jeder
Lockdown war anders. Du hast CDs aufgenommen und hattest sogar eine Tournee
durch die USA, ich hab mir zu Beginn des ersten Lockdowns ein Bein
gebrochen, auf der Straße in Spanien. Damit war ich draußen, aber es kam ja
gerade mein Kind auf die Welt, das war für mich persönlich perfekt. Als dann
die Arbeit wieder möglich war, war sie allerdings etwas anders als geplant.
Ich konnte zum Beispiel nicht nach Salzburg kommen, weil die Briten eine
Quarantäne von zehn Tagen für alle Heimkehrer verhängten. Damit hätte ich
zehn Tage Proben für eine andere Oper versäumt. Ich hatte nie etwas gegen
die Impfung und kämpfte hart um meinen Booster.
Verstehe ich
richtig, der Lockdown war also auch ein Segen für Sie, was die Familie
betrifft?
Terfel: Ja, in gewisser Weise.
Ich habe drei Buben aus erster Ehe, dann meine kleine Tochter, sie strahlt
wie ein kleiner Stern in mein Leben, und meine Buben sind besessen von ihr.
Und jetzt noch einen kleinen Buben. Ich denke, das ist genug. Aber ich bin
überrascht, dass Anna alles absagt. Vielleicht brauchte sie auch selbst eine
Pause.
Kaufmann: Das ist es. Diese berühmte
Tretmühle, in der wir sind, wenn man von einem Projekt zum nächsten rast,
und das Adrenalin, das man auf der Bühne produziert, hilft uns, darüber
hinwegzusehen, dass wir erschöpft sind. Dann aber kommt etwas, man bricht
sich das Bein oder eine Pandemie bricht aus, und man ist gezwungen, zu
pausieren. Dann erkennt man, wie müde man ist und was man im Leben aufgibt.
Natürlich ist es ein wunderbarer Job, den ich gegen nichts in der Welt
tauschen würde. Aber es gibt auch ein Leben abseits der Bühne. Für mich war
es gut, dass ich zu Hause bleiben musste. Ich kam von "Fidelio" in London
zum ersten Geburtstag meines Sohnes zurück. Von da an war ich immer mit ihm
zusammen. Er hat jetzt den Eindruck, dass das immer so ist. Wenn ich jetzt
fünf oder sechs Tage weg bin, kann er gar nicht glauben, dass ich nicht
jeden Tag zu Hause bin.
Aber wenn Sie zum Beispiel für
längere Zeit in Amerika sind?
Kaufmann: Ich
habe ihn überall mitgenommen. Er war mit uns in Amerika, wir waren auch in
Australien zusammen. Entweder man versucht, so rasch wie möglich hin-und
herzukommen, oder man nimmt die Familie mit. Ich habe drei Kinder aus erster
Ehe, meine Tochter ist schon 23, und immer hat sich die Frage gestellt, wie
man mit der Chance, so eine Karriere zu machen, umgeht. Wer würde da Nein
sagen? Es ist schwierig, das richtige Maß zu finden. Diese Saison hätte für
mich ein Sabbatical sein sollen. Ich hatte drei große Tourneen und 15
Opernvorstellungen geplant. Den Rest des Jahres wollte ich zu Hause sein.
Dann war das Sabbatical plötzlich nicht mehr notwendig, trotzdem denke ich
darüber nach, etwas zu ändern. So sehr ich es liebe, auf der Bühne zu sein:
Oper nimmt viel Zeit in Anspruch. Bei Konzerten kann man sich das einteilen.
Waren Sie jemals erschöpft von Ihrem Beruf?
Terfel: Niemals. Ich denke, ich habe meine Termine ziemlich
ausgeglichen geplant. Ich hatte immer Zeit für meine Kinder und meine
Familie. Auch ein Zahnarzt oder ein Polizist sieht seine Kinder nicht immer,
und ich sehe sie eben nicht in der Nacht. Ich denke, meine Buben werden
nicht zu mir sagen: "Vater, du warst nie da."
Stimmt es, dass
Sie während des Lockdowns beschlossen haben, Schubert-Lieder zu singen?
Terfel: Vielleicht mehr als bisher. Es war schön, im
eigenen Musikzimmer zu arbeiten. Man hat da den eigenen Plattenspieler, und
ich konnte mit meiner Frau singen, die Harfe spielt. Das könnte eine
interessante Option für die Zukunft sein. Ich mache jetzt einen Liederabend
mit Harfe und Klavier. Französisches Repertoire. Es ist ein wunderbares
Instrument.
Wird denn die Opernwelt jemals wieder wie früher
werden?
Kaufmann: Ich glaube, eher nicht.
Das Publikum wird schon wiederkommen, wenn die PCR-Tests vorbei sind und die
Opernreisen wieder angeboten werden, die jetzt vielfach ausfallen, weil die
Gefahr zu groß ist, dass im letzten Moment jemand die Reißleine zieht. Aber
ich habe in den vergangenen eineinhalb Jahren eine neue Tendenz gesehen,
eine immer stärkere Ablehnung des Publikums gegenüber Produktionen, die sich
zu sehr vom Stück entfernen. Diese Retrowelle, die wir schon vorher hatten,
wurde durch die Pandemie verstärkt. Die Leute sehnen sich nach Harmonie,
nach etwas Ablenkung, um ein paar Stunden aus diesem Wahnsinn
herauszukommen. Und wenn diese paar Stunden dann daraus bestehen, dass man
durchgewatscht und für blöd verkauft wird, weil man nicht mehr versteht, was
da auf der Bühne passiert, dann ist das nicht das, was man gerne möchte.
Oper ist auch ein Teil des Unterhaltungsgewerbes, das nicht nur mit extremer
Verfremdung, Verschränkung, Vergeistigung zu tun hat, sondern auch mit
Freude und Genießen. Man soll Oper wieder so machen, dass Anfänger das
genießen können. Sonst werden wir unser Publikum verlieren.
Terfel: Ein großer Teil des Erfolgs hängt auch vom Bühnenbild ab.
Wenn das keine Plattform bietet, wo wir gut singen können, ist das sehr
unangenehm. Schrägen sind zum Beispiel nicht gut zum Singen. Man würde ja
auch ein Ballett nie auf eine Schräge stellen. Deshalb haben manche
Opernhäuser noch Produktionen aus den Fünfzigerjahren, die ich sehr schätze.
Ich liebe es überhaupt, wenn das Publikum genießt, wofür es mit seinem hart
verdienten Geld bezahlt hat. Am Ende geht es nur um Unterhaltung.
Herr Kaufmann, der Staatsopern-"Parsifal", dessen Premiere im
vergangenen Frühjahr wegen des Lockdowns nur für das Fernsehen stattfand,
wurde jetzt erstmals vor Publikum gezeigt. Nach dem ersten Akt, wo sonst
traditionell Todesstille herrscht, wurde geradezu randaliert. Hatten auch
Sie Probleme mit der Inszenierung von Kirill Serebrennikow?
Kaufmann: Es war eine sehr schwierige Situation. Als die
Staatsoper den Regisseur engagiert hatte, dachte man, er könnte nach Wien
kommen. Wir hatten Stunden um Stunden Diskussion über Wagner und
Schopenhauer, es gab da auch Momente, in denen man verstand, dass das ein
sakrales Stück ist. Dann wurde er aus politischen Gründen in Russland
festgehalten, und dass man ihn da auch unter schwierigen Probenbedingungen
unterstützen muss, ist gut und richtig.
Sie hatten auch
Probleme mit einer Pariser "Aida" unter der designierten
Volksoperndirektorin Lotte de Beer.
Kaufmann:
Ja. Ein afrikanischer Künstler machte lebensgroße, extrem hässliche schwarze
Puppen, die Aida und Amonasro darstellten, weil die Regisseurin sagte, sie
als moderne weiße Frau könne die Konventionen nicht akzeptieren, und Weiße
dürften keine Aida singen. Deshalb kamen Puppenspieler auf die Bühne, und
ich musste auf dem Boden herumrollen und die Puppe umarmen. Das war nur noch
komisch.
Terfel: Wir aber haben immer noch eines: die Musik! Die
Musik kann uns immer retten, auch wenn etwas weit hergeholt ist. Wir machten
zum Beispiel "Fausts Verdammnis" von Berlioz in Paris. Das Konzept war so
weit von "Faust" entfernt
Kaufmann: Ja, eine
Mars-Mission.
Terfel: Aber wir hatten immer noch
Freude daran, diese Musik zu singen.
Kaufmann: Ich
bin mir nicht so sicher, dass wir davon ausgehen können, Musik allein würde
eine Aufführung tragen. Kann man denn nicht versuchen, am selben Strang zu
ziehen? Vor ein paar Monaten war ich bei einem Symposion in Neapel, wo
Regisseure mit dem Intendanten Stéphane Lissner über die Zukunft der Oper
gesprochen haben. Da ich im Publikum war, fragte man mich, ob ich ein paar
Worte sagen würde. Ich sagte: Könnten Sie, wenn Sie das nächste Mal über die
Zukunft der Oper sprechen, eventuell auch Sänger und Dirigenten einladen? Wo
sind wir denn hingekommen? In einer durchschnittlichen Kritik liest man 90
Prozent über die Regie und die Kostüme. Man kann als Sänger froh sein, wenn
sein Name überhaupt genannt wird.
Herr Kaufmann, es gab
Proteste gegen das Cover Ihrer "Otello"-Aufnahme. Ihr Gesicht sei zart
gebräunt worden!
Kaufmann: Ich habe mich
darüber amüsiert. Wir haben die CD in Rom aufgenommen, es war tolles Wetter,
ich war jeden Tag in der Sonne und wurde wirklich braun. Ich bekomme nie
einen Sonnenbrand, ich werde wirklich dunkel.
Soll er nun
schwarz geschminkt sein oder nicht?
Kaufmann:
Ich halte es für falsch, ihn als Schwarzen zu sehen. Er kommt aus dem
nördlichen Teil Afrikas und sollte mehr wie ein Araber aussehen. Es gibt ein
Gemälde in Hampton Court vom marokkanischen Botschafter aus dieser Zeit. Ein
gut aussehender Mann, aber nicht schwarz. Außerdem scheint Shakespeares
Geschichte auf einer wahren Begebenheit zu basieren, hier hieß der
Protagonist Moro mit Nachnamen, ein auch heute noch in Sizilien
gebräuchlicher Familienname. Man muss die Geschichte so erzählen, dass
Otello ein Außenseiter ist. Seine ganze Karriere hängt von Ehre und Erfolg
ab, das muss nicht durch Schwarz-Sein erzählt werden. Was aber Blackfacing
im Allgemeinen betrifft: Man macht Theater, niemand macht sich über jemanden
auf der Bühne lustig, indem er sich in jemanden anderen verwandelt. Wir
laufen Gefahr, viel von unserer Geschichte zu verlieren, indem wir sie
auslöschen. Wenn man aus jedem Buch alles auslöscht, was nicht hätte sein
sollen, werden die Fehler der Geschichte bald wieder zurückkommen. Woraus
sollen wir denn lernen?
Terfel: Das ist doch
Theater! Wenn ich eingeladen werde, den Tevje in "Anatevka" zu singen, warum
sollte ich nicht Teil einer so wunderbaren Geschichte sein?
Weil Sie kein Jude sind. Das sind jetzt Forderungen, die man immer öfter
hört.
Terfel: Das hätte viele wunderbare
Schauspieler gestoppt.
Kaufmann: Das Problem dehnt
sich auf #Metoo aus. Es gibt Stücke und Opern, da geht es nur noch darum.
Bald werden wir auf der Bühne Warnhinweise haben: "Was Sie auf der Bühne
sehen, ist nicht die Realität!" Wenn wir so weitermachen ...
Kommen wir zu Wichtigerem. Herr Terfel, jetzt sind Sie Teil einer weltweit
unschlagbaren Besetzung von "Peter Grimes". Haben Sie sich dafür den Bart
wachsen lassen?
Terfel: Ja, ich singe den
Balstrode jetzt drei Monate lang, gleich anschließend in London. In Wien ist
es besonders spannend, wir haben hier zwei Debüts! Lise Davidsen hat die
Rolle schon konzertant in Bukarest gesungen und bringt sie jetzt erstmals
auf die Bühne. Ich habe die Wiener Produktion schon vor 25 Jahren mit Neil
Shicoff gesungen. Es ist wunderbar, das wieder zu singen, wir haben hier ein
Stück Musikgeschichte. Und in diesem englischen Dorf erkennt man die gesamte
Menschheit wieder.
Kommen Sie beide künftig an die Staatsoper
zurück?
Kaufmann: Ich komme wieder. Womit,
kann ich Ihnen nicht sagen, denn es ist eine Neuproduktion. Das muss der
Intendant machen.
Dass es sich um eine "Turandot" mit Asmik
Grigorian unter Welser-Möst handeln könnte ...
Kaufmann: Das kommentiere ich nicht.
Terfel:
Ich denke, auch ich komme wieder.
Haben Sie denn seit dem
Brexit kein Problem mit dem Visum?
Terfel: Ja, für Salzburg
hätte ich ein Visum gebraucht.
Kaufmann: Ich singe
im Juni "Cavalleria/Pagliacci" in London. Dafür brauche ich ein Visum, und
es ist wirklich schwierig. Der "Buchbinder Wanninger" von Karl Valentin
beschreibt etwa die Situation. Er hatte ein paar Bücher gebunden und will
wissen, wohin er die schicken sollte. Er ist 20 Minuten am Telefon und wird
immer weiter verbunden, bis er wahnsinnig wird. So ähnlich war das bei mir,
als ich um das Visum ansuchte, ich brauchte eine neue Steuernummer, aber um
diese zu bekommen, brauchte ich wieder etwas anderes. Die Katze biss sich
immer in den Schwanz.
Meinen Sie, dass Johnson all das
überleben wird?
Terfel: Er wartet auf die Untersuchung.
Zumindest so lange wird er im Amt bleiben. Aber ich habe jetzt ein viel
dringenderes Problem: Ich habe Hunger und möchte ins Wirtshaus.
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