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Kleine Zeitung, 05.01.2015 |
INTERVIEW: LUIGI HEINRICH |
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In einer kalten Zeit die Herzen erwärmen
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Jonas Kaufmann, der gefragteste Tenor der Welt, feiert heuer in Salzburg seine Rollendebüts in „Bajazzo“ und „Cavalleria rusticana“ und unternimmt dann mit den Hits seiner Operetten-CD eine Europa-Tournee. |
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Er wird auch heuer wieder der begehrteste Tenor
der Welt sein. Mit einigen Schwerpunkten in Österreich. Jonas Kaufmann kommt
sowohl zu den Osterfestspielen nach Salzburg („Cavalleria rusticana“,
„Pagliacci“ und Verdi-Requiem) als auch zu den Festspielen im Sommer
(„Fidelio“). Und am 14. Mai gastiert er mit dem Repertoire seiner aktuellen
Operetten-CD „Du bist die Welt für mich“ im Wiener Konzerthaus.
Die Münchner Aufführungsserie von Puccinis „Manon Lescaut“ unter der
Regie von Hans Neuenfels ist sozusagen überstanden. Da gab es ja den Skandal
mit Anna Netrebko, die ihre Partie nach Auseinandersetzungen mit Neuenfels
zurücklegte. Wie haben Sie die Ereignisse erlebt?
JONAS
KAUFMANN: Da gab es Kommunikationsprobleme. Neuenfels spricht kein Englisch,
und es wurde ein teils mühsamer Probenprozess. Ich selbst war manchmal auch
am Verzweifeln.
Wie stehen Sie zum sogenannten Regietheater?
KAUFMANN: Ich habe grundsätzlich nichts dagegen. Ein Stück ernst und es
auseinandernehmen, dann mit Verstand wieder zusammensetzen, warum nicht? Das
Publikum taucht bestimmt gern in eine andere Welt ab. Aber: Puccini ist ein
reißender Strom. Man kann nicht dagegen anschwimmen. Er reißt einen mit. Und
wenn dann einer versucht, nur zu provozieren . . . Früher erhielten
Regisseure für eine Produktion nur einen Teil des Geldes, für jede
Aufführung kamen Tantiemen dazu. Da lag es im Interesse des Regisseurs, dass
das Stück oft gespielt wurde. Heute hingegen heißt es oft Aufmerksamkeit
erregen. In einem Genre, wo der Spielraum viel, viel kleiner ist als am
Sprechtheater.
Sie sind jetzt 45 und karrieremäßig ganz oben.
Zufrieden?
KAUFMANN: Ich kann nicht klagen. Es könnte nicht
besser laufen. Bei allem, was ich anfasse.
Was wohl auch für
Ihr Album „Du bist die Welt für mich“ gilt?
KAUFMANN: Ganz
gewiss, und das ist kein spektakulärer Schritt in den Mainstream. Dieses
Repertoire, Operettenlieder aus den Jahren 1925 bis 1935, habe ich seit
Jahren in meiner Pipeline. Nur bin ich zu einem neuen Label, zu Sony,
gewechselt, und dort wäre es für den Anfang vielleicht nicht gut gewesen.
Also musste ich zunächst meine „Ernsthaftigkeit“ unter Beweis stellen. Mit
Verdi und Schuberts „Winterreise“. Doch das erwähnte Operettenrepertoire
ging mir nie aus dem Kopf. Und es gibt da noch Repertoire, das für viele
andere Alben reichen würde. Bei den Aufnahmen im Studio haben wir alle
mitgepfiffen und mitgesungen, ich schwebte wie auf einer Wolke, und ich kann
die Tournee mit diesen Liedern kaum erwarten.
Woher kannten
Sie das besagte Material so gut?
KAUFMANN: Mein Großvater
hat im Berlin der Zwanzigerjahre studiert, meine Großmutter sang die Lieder
beim Kochen. Besonders gern „Dein ist mein ganzes Herz“. So habe ich diese
Sachen kennengelernt. Ich selbst habe bei Konzerten gerne als Zugabe Richard
Taubers „Du bist die Welt für mich“ gesungen, und ich war erstaunt, wie gut
das bei den jungen Leuten ankam.
Singen auch Sie beim Kochen?
KAUFMANN: Ja, es stimmt, ich koche. Dabei stellt sich das Singen
automatisch ein, ich merke es oft erst nach einer Weile. Überhaupt: Einmal
flog ich in der Business Class nach Moskau. Vor mir saß ein älteres Pärchen
und gab sich einen Wodka nach dem anderen. Die beiden haben sich sogar
beschwert, dass die Stewardess zu wenig nachschenkte. Ich wurde am Flughafen
abgeholt. Die Dame dieses Paares wandte sich an meine Abholerin und fragte,
wer denn dieser Verrückte sei, der die ganze Zeit hinter ihnen gesungen hat.
Ich hatte das gar nicht gemerkt. Ich war auf dem Weg zu einem Liederabend,
wahrscheinlich war es etwas aus dem Repertoire.
Würden Sie
gerne auch einmal auf der Bühne Operette oder Musical spielen?
KAUFMANN: Sicher, und ich bin überzeugt, dass diese Zeit kommen wird.
Die Welt wird immer kälter, unnahbarer, gefühlloser, und ich glaube, dass
derartige Produktionen eine Möglichkeit sind, die Herzen zu erwärmen.
Vorerst bleibt’s, auf der Opernbühne, beim Klassischen. Heuer
darf man Sie zwei Mal in Salzburg erwarten, zu Ostern und im Sommer?
KAUFMANN: Ja, und ich freue mich, dass das so verschiedene Sachen sind.
Der Kernverismo von „Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ ist für mich
Neuland, noch dazu darf ich sowohl den Turiddu als auch den Canio singen.
Auf diesen Doppelpack unter Christian Thielemann freue ich mich besonders.
Mit ihm habe ich bisher noch keine italienischen Sachen gemacht.
Und „Fidelio“ im Sommer?
KAUFMANN: Kein Neuland.
Habe ich schon öfter gesungen, in verschiedenen Inszenierungen. Unter der
Regie von Claus Guth und unter der Stabführung von Franz Welser-Möst wird es
sicher wieder spannend.
Alles in allem: Sind Sie momentan
wunschlos glücklich?
KAUFMANN: Wunschlos glücklich ist man
nie. Doch mir geht’s sehr gut. Da gibt’s nichts, wo ich sagen könnte: Das
brennt!
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