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Hannoversche Allgemeine, 20.05.2015 |
Jutta Rinas |
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Jonas Kaufmann im Interview „Operette hat meist die bessere Musik“
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Am Mittwoch gastiert der weltberühmte Opernsänger Jonas Kaufmann mit einem
Operettenprogramm in Hannover. Ein Gespräch über die Flucht in Traumwelten, Nostalgie und den
Puccini-Faktor. |
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Herr Kaufmann, bislang waren Sie eher als
Opern- und Liedinterpret bekannt. Wie kamen Sie auf die Idee zu einem
Operettenprogramm?
Sie entstand 2011, als ich mit Anna Netrebko
und Erwin Schrott ein Konzert in der Berliner Waldbühne gab. Da habe ich als
Zugaben „Freunde, das Leben ist lebenswert“ und „Du bist die Welt für mich“
gesungen. Wir haben uns gefragt: Warum solche Evergreens immer nur als
Zugaben, warum nicht ein ganzes Programm damit?
Tenöre wie
Richard Tauber oder Fritz Wunderlich haben viele Melodien von Stolz, Lehár
und Kálmán erst berühmt gemacht. Wie passt der Tenor Jonas Kaufmann in diese
Reihe?
Ganz gut. Tauber war ja als Opern- und Liedsänger
weltberühmt, bevor er all die großen Hits von Franz Lehár aus der Taufe hob
und selbst eine Operette verfasste. Joseph Schmidt war als Opernsänger ein
Begriff, bevor er mit „Ein Lied geht um die Welt“ zum Filmstar wurde. Die
Opernsänger Rudolf Schock und Fritz Wunderlich haben mit großem Erfolg auch
Operetten und Filmschlager gesungen. Ich folge also einer großen Tradition,
die in den letzten 25 Jahren leider nicht mehr so gepflegt wurde wie noch in
den Sechziger- und Siebzigerjahren.
Haben Sie einen persönlichen
Bezug zu den Stücken? Als sie uraufgeführt wurden, waren Sie ja noch nicht
geboren ...
Aber ich bin damit aufgewachsen: Meine Großmutter
kannte das ganze Repertoire und sang es gern vor sich hin. In der großen
Plattensammlung meines Vaters durften bei den Tenören natürlich auch diese
Hits nicht fehlen.
Wie erklären Sie sich den gegenwärtigen Erfolg
der Operette? Ihre Operetten-CD ist ein Publikumsrenner ...
Wir
sind damit sogar in die Pop-Charts gekommen. Inszenierungen von Michael
Sturminger, Josef Köpplinger und Barrie Kosky haben gezeigt, dass populäre
Stücke wie „Die Csardasfürstin“ und auch Ausgrabungen wie „Ball im Savoy“
großen Anklang beim Publikum finden, wenn sie mit Liebe, Witz und gutem
Handwerk präsentiert werden. Warum soll man nur in Musicals investieren?
Operette hat meist die bessere Musik.
Spielt beim Publikum auch
das Bedürfnis nach Weltflucht mit?
Flucht in die Traumwelt -
das war sicher ein entscheidendes Motiv, gerade in der großen Zeit der
Berliner Traumfabrik von 1925 bis 1933. Allein wie viele Operetten, Filme,
Songs den Begriff „Traum“ im Titel tragen! „Ein Walzertraum“,„Im Traum hast
du mir alles erlaubt“... Sicher sehnen wir uns nach Charme, Esprit, nach der
Romantik, die aus diesen Stücken klingt. Der Nostalgie-Faktor ist nicht zu
unterschätzen.
Gab es zu all den alten Titeln noch Noten?
Bei den populären Operetten liegt das komplette Material vor, bei
den Filmschlagern gab es teilweise nur Klavierauszüge. Wo originales
Orchestermaterial fehlte, hat Andreas Tarkmann ein Arrangement verfasst, das
sich an den Aufnahmen der Uraufführungssänger orientiert. „Modernisierte
Fassungen“, wie sie leider für viele Fernseh-Operetten der Siebzigerjahre
erstellt wurden, wollten wir auf keinen Fall.
Sie sollen einmal
gesagt haben, Sie halten die großen Tenorpartien von Lehár und Kálmán für
genauso anspruchsvoll wie die von Puccini?
Das ist wohl wahr.
„Dein ist mein ganzes Herz“ oder „Freunde, das Leben ist lebenswert“ fordern
den Sänger nicht weniger als die Hits aus „Tosca“ und „Turandot“. Auch wegen
der dichten Orchestrierung spricht man in diesen Fällen oft von
„Puccini-Lehár“.
Sie haben in Ihren Anfangsjahren auch Partien
wie den Alfred aus der „Fledermaus“ oder den Caramello in „Nacht in Venedig“
gesungen. Hilft Ihnen das jetzt?
Ich möchte diese frühen
Bühnenerfahrungen nicht missen. Aber helfen können sie nicht, weil ich heute
ganz anders singe als damals. Ich hatte ja gleich in meinem ersten festen
Engagement in Saarbrücken eine massive Stimmkrise; ich hatte nicht gelernt,
meine eigene Stimme zu benutzen, sondern war darauf geschult, so zu klingen,
wie ein deutscher lyrischer Tenor klingen soll.
Wie änderte sich
das?
Gott sei Dank fand ich einen Lehrer, der mir beibrachte,
die eigene Stimme zu benutzen: Michael Rhodes in Trier. Die Umstellung der
Technik war ungefähr so, wie wenn man von einer Ente auf einen Lkw umsteigt.
Man denkt, man würde das erste Mal Auto fahren und ist entsprechend unsicher
auf der Straße. Es hat mich auch einige Nerven gekostet, aber ich wusste
instinktiv: Das ist der richtige Weg zum Ziel.
Gibt es eine
Partie, die Sie noch nicht gesungen haben, und sich für die Zukunft
wünschen?
Otello! Nachdem ich für mein Verdi-Album zwei Szenen
aus „Otello“ aufgenommen hatte, hätte ich am liebsten sofort die ganze
Partie gesungen, so sehr hatte mich der Sog dieser Musik erfasst! Da muss
ich höllisch aufpassen, dass ich mich von der Emotion nicht total wegreißen
lasse. Mein Rollendebüt ist geplant für Juni 2017.
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