OÖNachrichten, 15. November 2013
Ludwig Heinrich
 
Startenor Jonas Kaufmann im Gespräch über Disziplin, kleine Sünden, Vaterschaft sowie die wechselseitige Befruchtung von Wagner und Verdi.
 
Im Gespräch mit Jonas Kaufmann: Ein Bier gönnt er sich schon
Im Wagner- und Verdi-Jubiläumsjahr ist er weltweit der einzige Tenor, der beiden Komponisten eine eigene CD ("Wagner" und "The Verdi Album") widmen konnte. Für 2014 hat der weltweit gefragte Sänger aber auch wieder einen Linz-Termin vorgemerkt. Am 5. Mai wird er im Brucknerhaus Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen" singen.

OÖNachrichten: Bei Ihnen passt alles zusammen: jung, blendendes Aussehen, sehr erfolgreich, beliebt. Macht das nicht auch Angst?

Jonas Kaufmann: Ach, das Glück muss man nehmen, wie es ist. Man darf es nur nicht überstrapazieren und überschätzen. Es kann ja schneller vorbei sein, als man denkt. Es könnten sich ja auch schlimme gesundheitliche Probleme einstellen, und das würde in meinem Beruf bedeuten, dass man seinen Lebensunterhalt verliert.

Auch die Gratwanderung zwischen Wagner und Verdi gelingt Ihnen souverän. Wie bewältigen Sie diese?

Es kommt auf die Stimme an, auf die Technik und auf die Vernunft. Wenn man sein Instrument überfordert, kann es passieren, dass man den Spagat nicht durchhält. Bei mir ist es aber so, dass ich mich bei Wagner von Verdi erhole und umgekehrt. Dieses gegenseitige Geben und Nehmen bringt vielleicht mehr, als würde man sich nur auf einen konzentrieren.

Anfangs wollten Sie selbst gar nicht Sänger werden?

Ich wollte realistisch sein, um eine künftige Familie ernähren zu können, und hab’ ein Mathe-Studium begonnen. Freilich merkte ich bald, dass ich den Rest meines Lebens nicht mit diesem trockenen Stoff verbringen wollte. Also: Aufnahmsprüfung an der Hochschule in München, Examen als Opern- und Konzertsänger. Natürlich: Talent muss da sein. Aber ansonsten spielen noch viele Faktoren, Zufälle und Begebenheiten eine Rolle. Der richtige Lehrer im richtigen Moment. Der richtige Intendant. Und: Man muss auch fleißig sein, sonst steht der Erfolg auf tönernen Füßen.

Eines kann man bestimmt nicht lernen: Charisma...

Die Bedeutung dieses Wortes habe ich erkannt, als ich Plácido Domingo in Bayreuth in "Parsifal" sah. Dem hat man den jungen Burschen abgekauft, obwohl er ja gar nicht mehr so jung war. Und er hat allen Fokus auf die Bühne gezogen, als ob ein Film plötzlich von Schwarzweiß auf Farbe gewechselt hätte. Diese Leidenschaft muss man haben, und dazu frei sein im Kopf.

Und Disziplin?

Klar, unsereiner ist permanent auf den Körper angewiesen, mehr noch als ein Schauspieler. In allen Phrasierungen, die man wählt, im langen Atem, den man spannen möchte, um jeden Abend anders zu gestalten. Also: Nicht jeden Tag einen Schweinsbraten reinziehen. Auch Rauchen und Alkohol sind Gift, oder zu wenig Schlaf.

Aber Sie sehen nicht aus wie einer, der sich total kasteit? Ein Bayer, der kein Bier trinkt?

Davon ist nicht die Rede. Die Bayern sagen ja, dass Bier ein Grundnahrungsmittel ist. Selbst in Büros in Bayern darf Bier konsumiert werden. Trinke ich eines, merke ich es am nächsten Tag gar nicht. Wein und Schnaps schon, das trocknet die Kehle aus, nagt an der Kapazität der Stimme. In Auftritts-Zeiten verzichte ich darauf völlig.

Sie sind dreifacher Vater. Ein guter mit diesem Beruf?

Für die Familie hat man nie genug Zeit, auch, weil sie so schnell verfliegt. Das ist der Preis des Erfolges. Trotzdem glaube ich, dass ich eine glückliche Familie habe. Ich bin zwar nicht immer da, aber dennoch greifbar, in aller Welt erreichbar.






 
 
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