OÖNachrichten, 20.6.2012
Karin Schütze
 
Jonas Kaufmann: „Je höher man steigt, desto dünner wird die Luft“ 
 
Am 14. Juli bei „Klassik am Dom“, präsentiert von den OÖNachrichten: der deutsche Tenor Jonas Kaufmann (42).
 

OÖN: Wie geht es Ihnen?

Jonas Kaufmann: Nach längerer Zwangspause wegen eines hartnäckigen Infektes geht es mir wieder gut, und ich freue mich sehr auf das Konzert in Linz.

OÖN: 2011 erhielten Sie den „Opera News Award“, mehrmals wurden Sie zum „Sänger des Jahres“ gekürt. Was bedeuten Ihnen Auszeichnungen? Mehr Bestätigung oder auch Erwartungsdruck?

Jonas Kaufmann: In erster Linie freue ich mich darüber und sehe sie als Früchte meiner Arbeit. Aber natürlich steigt mit solchen Auszeichnungen auch der Erwartungsdruck. Da können die Leute gar nichts dafür, es ist einfach so: Je höher man steigt, desto dünner wird die Luft und desto größer der Druck. Alle erwarten eine Sternstunde, obwohl ja klar ist, dass kein Sänger immer nur Sternstunden abliefern kann. Und wenn einer kiekst, muss er damit rechnen, dass der Kiekser zwei Stunden später auf YouTube veröffentlicht wird. Also, man braucht schon ein starkes Selbstvertrauen, um mit solchen Belastungen fertig zu werden.

OÖN: Während Ihres ersten Engagements in Saarbrücken hätten Sie wegen einer Stimmkrise fast das Handtuch geworfen. Warum haben Sie es – gottlob – nicht getan?

Jonas Kaufmann: Weil ich zum Glück noch rechtzeitig den richtigen Lehrer gefunden habe, Michael Rhodes in Trier. Bei ihm lernte ich, endlich mit meiner eigenen Stimme zu singen, statt so klingen zu wollen, wie man sich an der Hochschule einen „lyrischen deutschen Tenor“ vorstellt. „Just relax and sing“, sagte er, und das war für mich in dieser Situation genau das Richtige.

OÖN: Worin besteht Erfolg für Sie?

Jonas Kaufmann: In der beruflichen Laufbahn so weit zu kommen, dass man die Konditionen, unter denen man die bestmögliche Leistung bieten kann, zu einem guten Teil selbst beeinflussen kann, statt von Zufall und Willkür abhängig zu sein.

OÖN: Don José, Alfredo, Werther, Parsifal – Sie sind in viele verschiedene Rollen geschlüpft. Gibt es darunter eine, die Sie besonders berührt oder mit der Sie sich besonders identifizieren können?

Nein, meine Lieblingspartie ist immer die, die ich gerade singe.

OÖN: In einem Interview haben Sie sich einmal für radikale Regiekonzepte ausgesprochen. Wie weit, finden Sie, darf ein Regisseur gehen, gibt es Grenzen?

Jonas Kaufmann: Radikale Regiekonzepte befürworte ich dann, wenn sie dem Zuschauer ein Stück, das er in- und auswendig zu kennen meint, auf eine Art und Weise nahebringt, dass er es neu für sich entdeckt. Aber natürlich gibt es für mich auch Grenzen: sobald die Würde der Musik und des Textes verletzt und das Wesentliche zugunsten einer Aussage ignoriert wird, die nur am Rande oder gar nichts mit dem Stück zu tun hat.

OÖN: Was würden Sie jungen Kollegen raten?

Jonas Kaufmann: Bleibe immer dir selbst treu, traue dem eigenen Instinkt, lerne guten und schlechten Rat zu unterscheiden und sorge dafür, dass Körper, Geist und Seele in Balance bleiben.

OÖN: Worauf darf sich Ihr Publikum in Linz freuen?

Jonas Kaufmann: Auf Arien und Szenen aus „Tosca“, „Carmen“, „Werther“, „La Gioconda“, „Cavalleria Rusticana“ und „I Pagliacci“.

OÖN: Ein Wunsch für die Zukunft?

Jonas Kaufmann: Gesund zu bleiben und mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen.





 

 






 
 
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