Frau im Spiegel, 20. Oktober 2010
SUSANNE NOLDEN
Ein Startenor hat Sehnsucht
 
JONAS KAUFMANN feiert weltweit Erfolge. Jetzt erfüllte er sich der Sänger zwei Herzenswünsche: Er zog in seine Geburtsstadt München und singt Verismo-Arien
 

Viele Jahre hat der neue Superstar der Opernszene darauf gewartet, in seiner Heimatstadt München genauso gefeiert zu werden wie in der übrigen Welt. Jetzt ist Jonas Kaufmann, 41, endlich „zu Hause angekommen“, wie er sagt. Im Sommer pendelte der Tenor zwischen der bayerischen Hauptstadt und Bayreuth, trat parallel in Puccinis „Tosca" und Wagners „Lohengrin" auf.

Im Juli wurde Kaufmann für seine CD ,,Sehnsucht" mit dem Echo-Klassikpreis ausgezeichnet. Auf seinem neuen Album (s. Kasten) ist er mit einer anderen „Klangfarbe" zu hören: dem Verismo, einer sehr gefühlvollen Stilrichtung der italienischen Oper. Ab November wird er mit der Sopranistin Angela Gheorghiu, 45, im Londoner Covent Garden in Francesco Cileas Verismo-Oper „Adriana Lecouvreur" auf der Bühne stehen.

FRAU IM SPIEGEL traf den smarten Sänger im Münchner Hotel „Palace". Ein Heimspiel, denn inzwischen ist Jonas Kaufmann mit seiner Familie - Ehefrau Margarete Joswig, der elfjährigen Tochter und zwei Söhnen im Alter von vier und sieben - von Zürich nach Bayern gezogen.

Das neue Album mit Verismo-Arien war wohl eine Herzensangelegenheit?

Absolut! Ich wollte eine Lanze für den Verismo brechen. Ein Fach, in dem man ernste Gefühle zeigen muss und sich nicht hinter einer Maske verstecken kann. Für diese Arien muss man bereit sein. Sie berühren einen sehr. Wenn man in einer labilen Phase ist, kann das ganz schön heftig werden.

Vor Kurzem galten Sie in München noch als Geheimtipp. Jetzt loben Sie die Kritiker in den höchsten Tönen ...

Ja, und das ist gefährlich. Wenn alle plötzlich nur noch „super" rufen, kommt einem das suspekt vor. Das ist immer kurz vor dem Moment, wo es umkippt. Aber in München Erfolg zu haben, ist natürlich eine große Befriedigung und Genugtuung. Ich bin hier geboren, aufgewachsen, habe hier studiert, meine ersten Opernbesuche erlebt. Da war es schon ein gewisser Dorn im Auge, dass es hier so lange nicht geklappt hat. Aber mit dem neuen Intendanten Kurt Bachler habe ich viele Projekte für die Zukunft geplant.

Sie haben zwei Vorstellungen in Bayreuth wegen Krankheit abgesagt. Es hieß, Sie hätten sich mit dem Doppel-Engagement überfordert...

Natürlich war das Hin und Her zwischen München und Bayreuth körperlich anstrengend. Aber stimmlich hatte ich damit überhaupt kein Problem.

Was fehlte ihnen denn?

Ich hatte eine ganz normale Erkältung, die auf meine Lunge geschlagen ist. Das ist schlecht für die Stimme. Man darf sich nicht zu wichtig nehmen und einbilden, man müsse mehr schlecht als recht singen. Ich kann mir möglicherweise fünf Jahre meiner Karriere verscherzen, wenn ich die Stimme zu sehr belaste. Man muss in diesem Beruf lernen, dass man nicht unersetzlich und unverletzlich ist.

Angela Gheorghiu tritt gern mit Ihnen auf. Sie gilt als schwierig und launisch.

Ich erlebe sie als wunderbare Kollegin. Das Bild, das man nach außen hat, und das Bild, das man im Beruf als gleichwertiger Partner abgibt, ist unterschiedlich. Es kann gut sein, dass auch ich als schwierig gelte, weil ich oft und gern meine Meinung sage. Damit kann man schon anecken. Aber das ist ein gewisser Selbstschutz. Man kann die eigene Leistung steigern, indem man mit Leuten zusammenarbeitet, mit denen es am meisten Spaß macht. Das heißt nicht, dass ich nur noch mit Angela Gheorghiu, Anja Harteros oder Annette Dasch arbeiten will. Ich halte nicht viel von dieser Traumpaar-Geschichte: Wenn man sich in- und auswendig kennt, ist dieses Sich-Neuentdecken, die Spannung und das Kribbeln, das man für das Publikum zu erzeugen versucht, viel schwieriger zu erreichen. Es sollte nicht in Richtung altes Ehepaar gehen.

 






 
 
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