Vogue trifft Jonas Kaufmann
Interview: DAGMAR LEISCHOW
DER STARTENOR ÜBER OPERNSÄNGER ALS NEUE SEXSYMBOLE, STIMMPFLEGE UND SEIN AKTUELLES ALBUM "SEHNSUCHT" MIT ARIEN VON MOZART, SCHUBERT, BEETHOVEN UND WAGNER
 
DIE STIMME IST DER SPIEGEL DER SEELE. WER NICHT MIT SICH IM REINEN IST, BRENNT RASCH AUS.
VOGUE: Die Sopranistin Angela Gheorghiu bezeichnet sich als Ihre Mentorin. Zu Recht?

JONAS KAUFMANN: Sie hat sich wirklich für mich eingesetzt. Zum Beispiel debütierte ich an ihrer Seite an der Met. Die Chemie zwischen uns stimmte von Anfang an, deswegen treiben wir uns stets gegenseitig zu Höchstleistungen an.

Nach der New Yorker "Traviata"Inszenierung wurden Sie sogar als "Brangelina" der Oper gefeiert.

Zunächst fand ich das ziemlich amüsant. Mittlerweile denke ich aber, wir sind doch in erster Linie Sänger, da sollte der Fokus auf der Stimme liegen, nicht auf unserem Außeren.
Trotzdem stellt man heute ganz andere Anforderungen an Produktion und Sänger als früher Oper ist eben kein reines Stehtheater, sondern Schauspiel mit Gesang. Zum Glück gibt es jetzt eine Sängergeneration, die mehr Realität und Action auf die Bühne bringen will.

Anna Netrebko gilt als die prominenteste Vertreterin dieser jungen sexy Diven. Was hat sie, was andere nicht haben?

Ihre Attraktivität allein macht nicht ihr Charisma aus. Für mich ist sie im positiven Sinn verrückt. Dank ihrer unglaublichen Energie reißt sie alle mit, darum springt der Funke sofort über wenn sie auftritt.

Rolando Villazon und Anna Netrebko galten als Traumpaar der Oper. Bis Villazon Stimmprobleme bekam...

Letztlich ist keiner davor gefeit. Es heißt ja, die Stimme sei der Spiegel der Seele. Egal, ob jemand Stress hat, familiäre oder gesundheitliche Probleme, alles schwächt die Gesangskraft. Wer nicht mit sich im Reinen ist, brennt rasch aus.

Was tun Sie dagegen?

Wenn ich krank bin, sage ich meine Vorstellung ab. Da lasse ich mich auf keine Kompromisse ein. Ich weiß genau, dass ich meine Klangfarben nur so möglichst lang bewahren kann.

Glauben Sie, dass sich einige Sänger überfordern?

Ja. Es reicht einfach nicht, sich einzureden, ich bin reif für Tristan. Für diese Partie braucht ein Tenor eine extrem starke Stimme; Sicherheit und Erfahrung sonst ouält er sich durch den Abend. Das macht keinen Spaß. Darum lasse ich mir noch Zeit mit dieser Rolle.

Dafür interpretieren Sie auf Ihrer neuen CD Arien aus "Lohengrin", Parsifal" und "Die Walküre

Dabei hätte ich mir als Kind nie träumen lassen, dass ich mal Wagner-Partien singen würde. Damals gaben mir seine Opern stets das Gefühl, die Protagonisten seien brüllende Riesen.

War das der Grund, warum Sie zunächst nicht Musik studierten?

Sänger schien mir kein richtiger Beruf zu sein. Deshalb entschied ich mich nach dem Abitur für ein Mathematikstudium. Allerdings war mir das auf Dauer zu theoretisch. Ich bin nicht der Typ, der stundenlang stillsitzt. Also machte ich doch die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule.

Heute sind Sie ein Star Wie gehen Sie mit Ihrem Erfolg um?

Je eher man berühmt wird, desto schlechter verarbeitet man das. Daher bin ich froh, dass sich meine Karriere Schritt für Schritt entwickelt hat. Jenseits der Bühne bin ich relativ normal, denke ich. Meine Familie ist mein Anker, der mich am Boden hält. Daheim ist mein Beruf nebensächlich, ich bin einfach Vater und Ehemann.

Bis Sie zu Ihrem nächsten Engagement reisen?

Sicher, ich bin oft unterwegs. Damit muss ich mich abfinden, ein Sänger bewegt sich eben zwischen den Extremen. Entweder kann er sich vor Terminen kaum retten, oder keiner interessiert sich für ihn. Ein Mittelweg findet sich selten.

Weil die Konkurrenz groß ist?

Wir Tenöre sind in einer komfortableren Situation als Sopranistinnen. Für uns gibt es eigentlich immer genug Arbeit.

Dennoch beherrschen die Südamerikaner den Markt.

Trotz meines deutschen Passes kann ich ganz gut mithalten. Ich singe in Italien das italienische Fach, in Frankreich das französische. Einzig in Deutschland hat es gedauert, bis ich mit deutschen Partien Fuß fasste. Leider gilt der Prophet im eigenen Land oft nichts.






 
 
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