Stuttgarter Nachrichten, 31.12.2008
Jonas Kaufmann singt am 8. Januar romantische Arien in der Stuttgarter Liederhalle
"Mein Kerngeschäft bleibt die Oper"
Mit den Stücken aus seiner CD "Romantic Areas" kommt der Münchner Tenor Jonas Kaufmann am 8. Januar in den Beethovensaal der Liederhalle. Begleitet wird er von der staatlichen Philharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Michael Güttler.

Herr Kaufmann, auch als prominenter Tenor machen Sie nicht nur Galaabende vor einem großen Publikum. Sie sind auch noch in Repertoireaufführungen in Opernhäusern zu erleben -mit einem entsprechenden Probenaufwand. Was treibt Sie da an?

Der Opernbetrieb ist mein Handwerk, mein Hauptmetier. Hier erarbeite ich mir die Mittel, mit denen ich mich definiere. Ich würde meine Glaubwürdigkeit verlieren, wenn ich hauptsächlich Galas machen würde. Ich trete auch weiterhin auf kleinen Festivals auf, bin das nächste Jahr beispielweise wieder in Bad Urach, wo ich 1993 meine erste Schritte als Sänger gemacht habe. Manche meiner Kollegen sagen zwar, dass sie lieber proben als Aufführungen geben, das sehe ich nicht so. Mir geht es darum, bei den Proben auf eine optimale Aufführung hinzuarbeiten.

Nun haben Sie aber dennoch eine CD eingespielt, die sich hervorragend für Galaabende eignet. Wie kam es dazu?

Zunächst einmal finde ich das ja auch nicht verwerflich. Eine große Plattenfirma hat mir das Angebot gemacht, weshalb sollte ich da Nein sagen? Wobei ich Wert darauf lege, dass es sich hier nicht um ein Best-Of-Album handelt. Die Auswahl der Stücke spiegelt das wider, was ich bisher an großen Häusern gemacht habe und in absehbarer Zeit machen werde. Anfangs ging es mir da wie ein Kind in einem Süßwarenladen: Ich will alles haben, will alles machen. Aber die Platzmöglichkeiten auf einer CD sind nun mal begrenzt. So musste ich mich auf zehn Arien konzentrieren. Dazu gehört etwa "Dies Bildnis ist bezaubernd schön" aus Mozarts "Zauberflöte", "Che gelida manina" aus Puccinis "La Bohème" oder das Preislied "Morgendlich leuchtend im rosigen Schein" aus Wagners "Meistersinger". Eine Ausnahme ist "Ach so fromm" aus von Flotows "Martha". Die Gelegenheit, diese Oper mal komplett singen zu können, wird sich wohl nie ergeben, dennoch mag ich diese Arie sehr. Ich singe sie auf Deutsch, denn die Oper ist ja deutschen Ursprungs.

Und "Nessun dorma" aus Puccinis "Turandot" ist nicht dabei?

Das ist für mich ein heiliges Stück. Noch während meines Studiums habe ich mich geweigert, das zu singen. Ich habe mir vorgenommen, damit erst öffentlich aufzutreten, wenn ich diese Arie sehr gut kann. Wahrscheinlich wäre es jetzt so weit, aber es passt jetzt nicht in diesen Rahmen. Hätte ich ein Album mit Verismo-Arien gemacht, wäre "Nessun dorma" wahrscheinlich dabei. Aber mit Ihrer Frage sprechen Sie ja vor allem den großen Erfolg von Paul Potts mit dieser Arie an. Ich werde immer wieder danach gefragt und ärgere mich allmählich darüber. Ich gönne Paul Potts diesen Erfolg aus ganzem Herzen, und er soll diesen auskosten. Er soll soviel wie möglich davon mitnehmen, denn für ihn kann dieser Erfolg von einem Tag auf den anderen zu Ende sein. Deshalb gibt es auch keinen Grund, auf ihn neidisch zu sein. Ich denke bei diesem Thema mehr an meine Kollegen, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt haben, die auch sehr viel Begabung haben und die an irgendwelchen Stadttheatern am Existenzminimum leben. Es beschäftigt mich dabei, dass es für die Kultur im Prinzip kein Geld mehr gibt.

Aber würden Sie sich mit einem Bekanntheitsgrad wie Paul Potts nicht leichter tun?

Ich verdanke meine Karriere nicht Plattenaufnahmen, sondern dem Publikum, das in Opernhäuser geht. Dort habe ich meinen Ruf geschaffen, dort kann ich mir selbst gegenüber ehrlich sein. Und das ist das Wichtigste für eine Karriere. Ich könnte gar nicht in einer solchen Vermarktungsmaschinerie mitmachen, die nächsten fünf oder sechs Jahre sind im Prinzip schon verplant.

Und wie kommt es dann zu Auftritten wie in Stuttgart?

Zum einen hat sich eine "Romeo und Julia"-Produktion in Venedig nach hinten verschoben, zum anderen geschieht dies in Zeiten, die eigentlich als Pausen vorgesehen waren. Ich freue mich eben wahnsinnig auf Auftritte in Deutschland, weil ich kaum noch Gelegenheit dazu habe. Aber ich stelle mich nicht in den Dienst solcher Abende, mein Kerngeschäft bleibt die Oper. Und da geht es weiter mit "Manon Lescaut" (hat wohl Jemand falsch notiert) in Chicago, "Fidelio" in Paris, "Tosca" in Zürich.
Fragen von Armin Friedl

Fototext:
Mit immer raffinierteren Werbestrategien wird versucht, mehr Menschen für die klassische Musik zu interessieren. Der Tenor Jonas Kaufmann hält davon nicht viel: "Die Magie und der Zauber eines Opern- oder Konzertabends bestehen darin, dass es eben nicht Alltag ist. Der erste Schritt fällt da zugegebenermaßen ziemlich schwer, aber er ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass danach niemand enttäuscht ist"






 
 
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